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Vergleichstudie zu Deutschland und Schweden Deutsche glauben nicht an sozialen Aufstieg

Berlin · Chancengleichheit vor allem bei Kindern ist eines der großen Themen in der deutschen Politik. Doch in der Praxis ist das nur schwer zu erreichen. Laut einer aktuellen Studie glaubt die Mehrheit der Jugendlichen aus armen Verhältnissen nicht, dass ihnen der soziale Aufstieg gelingt. In Schweden sieht das ganz anders aus.

Das sind die Betreuungsquoten für unter Dreijährige
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Foto: dpa, Patrick Pleul

Was ist das Beste für mein Kind? Diese Frage stellen sich auch in Deutschland viele Eltern und haben entsprechende Ansprüche an das Bildungssystem und die Politik. Doch das Vertrauen in das System scheint bei vielen nach wie vor gering zu sein. Zumindest dann, wenn es um die Aufstiegschancen von Kindern und Jugendlichen aus ärmeren Verhätlnissen geht.

Laut der aktuellen Allensbach-Studie "Chancengerechtigkeit durch Förderung von Kindern" im Auftrag von "Bild der Frau" und dem Familienministerium glauben nur 19 Prozent der befragten Jugendlichen, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, um etwas zu erreichen. Über die Hälfte sagt dagegen, ein Aufstieg ist in Deutschland nur schwer möglich.

Ganz anders sieht das allerdings in Schweden aus, das in der Studie als Vergleichsland herangezogen wurde. Gut zwei Drittel der unter 30-Jährigen in Schweden sind davon überzeugt, dass der soziale Aufstieg gelingen kann, wenn man sich selbst anstrengt. Dass die Meinungen in beiden Ländern soweit auseinandergehen, hat laut der Autoren mehrere Gründe.

Grundschulzeit in Schweden neun Jahre

In Bezug auf die Schule etwa haben die Eltern in beiden Ländern unterschiedliche Einstellungen. Zwei Drittel der deutschen Eltern sehen sich nach der Befragung auch verantwortlich, wenn es um Dinge wie Bildung und Leistungsbereitschaft geht. In Schweden sehen das weniger als ein Drittel der Eltern so. Laut den Studienmachern könnten die Deutschen von dieser Entspanntheit der Schweden einiges lernen.

Die Studie schließt daraus, dass die Eltern dort diese Dinge eher den staatlichen Einrichtungen überlassen. In Deutschland wiederum hänge die Förderung stark vom Elternhaus ab — was wiederum Vorteile insbesondere für Eltern aus der Oberschicht bedeute, da die es sich eher leisten könnten, Förderangebote für ihre Kinder anzunehmen.

Entsprechend sehen die Studienmacher auch einen Zusammenhang mit dem Bildungssystem in beiden Ländern. Im dreigliedrigen System in Deutschland werden die Schüler viele eher nach ihrer Leistung auf die verschiedenen Schulformen geschickt, während in Schweden die Grundschulzeit neun Jahre lang geht. Noten gibt es erst ab Klasse 8.

Der Trend zum längeren gemeinsamen Lernen setzt sich aber auch in Deutschland langsam wieder durch, vielerorts werden Gesamtschulen aufgebaut. In NRW ist das Modell des Schulfriedens die Sekundarschule, die bis zur zehnten Klasse geht, an der aber mindestens bis zur sechsten Klasse gemeinsam gelernt werden soll. Entsprechend ist Schweden der Bundesrepublik vor allem in einem voraus: in der Zeit.

Schweden überzeugt von Betreuung "außer Haus"

Aber auch in Bezug auf die Kinderbetreuung gibt es Unterschiede zwischen beiden Ländern. In Deutschland sorgen das Betreuungsgeld und der Kita-Ausbau seit Wochen für Diskussionsstoff. Mit dem Wort Wahlfreiheit hat die schwarz-gelbe Koalition die Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes begründet. Schließlich sollen die Eltern selbst entscheiden, was ihrer Meinung nach das Beste für ihr Kind ist. Am Kitaplatz-Ausbau für unter Dreijährige soll daher ebenfalls festgehalten werden, wie erst in der vergangenen Woche die Bundeskanzlerin betonte.

Unser europäisches Nachbarland Schweden ist da schon einen Schritt weiter: Dort ist sowohl das Netz der Kitas gut ausgebaut, und es gibt das Betreuungsgeld. In dem Land allerdings werden rund 90 Prozent der Zweijährigen in einer Kita oder von einer Tagesmutter betreut. Das liegt laut der Studie sowohl an den Einstellungen der Eltern als auch an der Politik.

Demnach sind schwedische Eltern fest davon überzeugt, dass ihre Kinder davon profitieren, wenn sie sehr früh in die Kita gehen. In Deutschland dagegen seien die Eltern eher der Auffassung, dass es für die Entwicklung des Kindes am Besten ist, wenn es in den ersten drei Jahren ausschließlich von der Familie betreut wird.

Zum Vergleich: Die Betreuungsquote in Deutschland liegt bei nur 51 Prozent. Das ist sicherlich nicht allein den Einstellungen der Eltern geschuldet, sondern liegt auch daran, dass der Kitaplatz-Ausbau im Unterschied zu Schweden gerade erst vorangetrieben wird.

Allensbach: Auch deutsche Politik ist gefragt

"Auch die deutsche Politik ist gefragt: Die Schweden haben ein viel größeres Betreuungsangebot für Kleinkinder und einen unglaublichen hohen Qualitätsstandard in den Einrichtungen, das schafft Vertrauen und Sicherheit für die Eltern", bemerkt Renate Köcher, Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Dass ein Umdenken in Deutschland aber bereits eingesetzt hat, ist etwa angesichts des Kitaplätze-Ausbaus oder der neuen Schulformen zu sehen. Ob dadurch auch das Vertrauen von Eltern und Jugendlichen in den deutschen Staat steigt, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.

(das)
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