Studie Deutschland bei sozialer Gerechtigkeit nur Mittelmaß

Gütersloh (RPO). Deutschland muss sich beim Thema soziale Gerechtigkeit hinter vielen anderen Industrieländern anstellen. Vor allem bei der Armutsvermeidung, der Bildungsgerechtigkeit und der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gibt es erhebliche Defizite. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Studie hervor.

Deutschlandweite Proteste gegen Sozialabbau
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Laut der Studie der Bertelsmann Stiftung rangiert die Bundesrepublik - was die soziale Gerechtigkeit angeht - im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Unter 31 OECD-Staaten belegt sie Platz 15. Angeführt wird der Gerechtigkeitsindex von den nordeuropäischen Staaten Island, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Schlusslicht ist die Türkei.

Eines der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung: Die Einkommensarmut hat in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten zugenommen. Besorgniserregend sei vor allem das Phänomen der Kinderarmut, heißt es. Rund jedes neunte Kind in der Bundesrepublik lebt demnach unterhalb der Armutsgrenze. Zum Vergleich: In Dänemark sind lediglich 2,7 Prozent der Kinder von Armut betroffen. Selbst Ungarn (Rang 8) und Tschechien (Rang 13) schneiden hier besser ab als Deutschland (Rang 14).

Trotz verbesserter PISA-Ergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler - auch das deutsche Bildungssystem hat unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit weiterhin Defizite. Hier rangiert Deutschland im OECD-Vergleich mit Platz 22 nur im unteren Mittelfeld. Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen hängt der Studie zufolge nach wie vor stark von ihrem sozioökonomischen Hintergrund ab. Die Chancen auf sozialen Aufstieg durch eine bessere Ausbildung seien deshalb hierzulande geringer als in vielen anderen OECD-Staaten.

Lob für Schuldenbremse im Grundgesetz

Erhebliche Defizite sieht die Stiftung außerdem bei der Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit. Hier liege die Bundesrepublik im OECD-Vergleich sogar auf dem vorletzten Platz. Und auch beim Thema sozialer Zusammenhalt sieht die Studie Handlungsbedarf. Die Ungleichverteilung der Einkommen in Deutschland habe innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte so stark zugenommen wie in kaum einem anderen OECD-Mitgliedsland. Mit Blick auf den Zusammenhalt einer Gesellschaft sei eine solche Polarisierungstendenz bedenklich. Mäßige Noten erhielt Deutschland auch bei der Integration von Zuwanderern.

Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Gunter Thielen, mahnte deshalb bei der Vorstellung der Studie: "In einer zukunftsfähigen Sozialen Marktwirtschaft dürfen wir uns nicht damit zufriedengeben, dass rund jedes neunte Kind in armen Verhältnissen aufwächst, Bildungschancen stark von sozialer Herkunft abhängen und vergleichsweise viele Menschen dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben."

In anderen Punkten gab es aber auch Lob für Deutschland: Das Prinzip der Generationengerechtigkeit sei vergleichsweise gut verwirklicht. Die Verankerung einer Schuldenbremse im Grundgesetz sei hier positiv zu werten. Auch im Bereich Umweltpolitik und Ressourcenschonung erhielt Deutschland gute Noten. Steigerungsfähig seien aber die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die maßgeblich über die Innovationsfähigkeit eines Landes und damit auch über dessen Wohlstand entschieden.

(apd/jre)
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