Experten warnen Deutschland nicht gut gegen Salafisten gewappnet

Bonn · Die islamistische Radikalisierung von jungen Menschen ist mit dem bisherigem Aufwand nicht in den Griff zu kriegen, sagen Experten auf einer Salafismus-Tagung in Bonn. Es fehle Wissen, Geld, Personal. Schulen fühlten sich oft überfordert.

Fakten zum Salafismus in Deutschland
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Foto: afp, FETHI BELAID

Um den Zulauf zur salafistischen Szene zu bremsen und junge Leute vor islamistischer Radikalisierung zu schützen, ist man in Deutschland laut Experten noch nicht gut gewappnet. Für eine gezielte Intervention müssten vor allem die wichtigen Akteure Schule und Jugendhilfe mehr über das Phänomen Salafismus und über Radikalisierungsverläufe wissen. Das betonte der Islam- und Politikwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück bei einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung am Dienstag in Bonn. Mehr Beratung, Schulung und längerfristige Präventionsprojekte seien nötig.

Auch angesichts von mehreren hundert jungen Menschen, die als "Gotteskrieger" nach Syrien und in den Irak ausreisten, sei klar: Deutschland könne es sich nicht leisten, auf eine eigenständige Radikalisierungsforschung zu verzichten, sagte Kiefer.

Die salafistische Szene spricht besonders Jugendliche und junge Erwachsene an. Die Anhänger vertreten einen rückwärtsgewandten Ur-Islam, Teile der Bewegung werden als demokratiefeindlich und extremistisch eingestuft. Der Expertin Claudia Dantschke vom Zentrum Demokratische Kultur zufolge werden von bundesweit rund 6000 Salafisten 850 dem militanten Spektrum zugerechnet.

NRW-Verfassungsschutzpräsident Burkhard Freier sagte, es helfe nicht, den schnell wachsenden extremistischen Salafismus zu verteufeln. Man müsse einen Einstieg der jungen Leute in die Szene verhindern. Mit ihrer Radikalisierung hätten viele den gefährlichen Wunsch, aktiv zu werden. "Syrien ist jetzt das Zugpferd, um im extremistischen Salafismus Fuß zu fassen." Dort würden sie einige Wochen im Terror ausgebildet und dann als "Kanonenfutter" missbraucht. Die meisten seien jung, männlich, hätten einen deutschen Pass, oft Migrationshintergrund, fühlten sich nicht anerkannt und suchten Halt.

Kiefer kritisierte, dass wichtige Präventionsprojekte aus finanziellen Gründen in der Regel nur auf wenige Jahre begrenzt seien. "Prävention muss immer auf Dauer angelegt sein, das kann kein temporäres Geschäft sein." Ohne ausreichendes Personal und mehr fachliche Kompetenz gehe es nicht. Auch für Schulen, die sich oft ratlos und überfordert zeigten, müssten eigene Konzepte entwickelt werden. Die Kommunen seien in der Jugendhilfe unterschiedlich gut aufgestellt. Um die Prävention zu stärken, solle der Austausch, auch unter den Bundesländern, besser werden.

In vielen Moscheegemeinden ist zwar das Radikalisierungsproblem erkannt, wie Kiefer bei der Veranstaltung berichtete. Es fehle aber ganz überwiegend die Bereitschaft, aktiv an einer Prävention mitzuarbeiten. Nur "eine Handvoll" der Moscheegemeinden in Deutschland sei hier mit im Boot. Viele befürchteten offenbar, mit Fundamentalismus und Terror in Verbindung gebracht zu werden.

(lnw)
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