Platz im Osten Berlins Die Angst der Touristen auf dem Alex

Berlin · Wieder wurde ein Besucher der Hauptstadt auf dem zentralen Ostberliner Platz niedergestochen. Die Polizei reagiert auf die gehäuften Vorfälle mit mehr Präsenz, bekommt die Gewalt aber offenbar nicht in den Griff.

Berlin Alexanderplatz - Schauplatz der Gewalt
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Morgens ist er sicher, der Berliner Alexanderplatz, wenn dort Tausende Pendler zwischen U- und S-Bahn, Bus und Straßenbahn wechseln. Auch nachmittags ist er sicher, der Alexanderplatz, wenn zwischen Neptunbrunnen, Fernsehturm und Weltzeituhr Hunderte Berliner und Touristen ihr Eis in der Sonne genießen. Aber nachts wird es einsam, und dann kehrt die Angst in die Hauptstadt ein. Jetzt ist wieder ein Tourist zum Opfer einer gewalttätigen Attacke am "Alex" geworden.

Es war gegen 21.45 Uhr, als der 29-jährige Mann aus Hessen von zwei Unbekannten nach Zigaretten gefragt wurde. Er gab einem der beiden sogar eine, verneinte aber die Frage, ob er ihnen noch mehr geben könne. Die beiden schubsten und schlugen ihn daraufhin. Erst nachdem sie weggelaufen waren, entdeckte der Tourist eine Stichverletzung im Bauch. Von der Rezeption seines Hotels aus ließ er einen Rettungswagen alarmieren, der ihn ins Krankenhaus brachte. Lebensgefahr bestand nicht, und inzwischen ist das Opfer nach Auskunft der Berliner Polizei wieder entlassen.

Dennoch setzen sich diese schrecklichen Bilder von den wiederholten Akten brutaler Gewalt auf dem Alex und seiner direkten Umgebung in den Köpfen fest. Besonders jene vom Oktober vorletzten Jahres, als der 20-jährige Jonny K. von sechs alkoholisierten jungen Männern so sehr geschlagen und getreten wurde, dass er an den Folgen starb. Erst Ende März hatte der Bundesgerichtshof die Haftstrafen bestätigt, so dass die Verurteilten, die bis auf einen während des Berufungsverfahrens immer noch auf freiem Fuß waren, nun für 27 bis 32 Monate ins Gefängnis müssen. Der Haupttäter, ein vorbestrafter Ex-Boxer, war zu viereinhalb Jahren verurteilt worden. K. kannte keinen der Täter und hatte nur einen Streit schlichten und einem Attackierten helfen wollen. Das Gericht hatte von Anfang an dem Angeklagten zugute gehalten, nicht in Tötungsabsicht gehandelt zu haben.

Ausgerechnet vor der Gedenkplakette für Jonny K. eskalierte Ende November der Streit zwischen zwei Gruppen mit Flaschenwürfen und Messerattacken. Nach der großen deutschlandweiten Debatte über die Gewalt auf dem Alex hatte die Polizei dort zwar eine mobile Wache postiert, doch hatten die Beamten nicht verhindern können, dass die Männer aus einer türkischstämmigen und einer russischstämmigen Gruppe aufeinander losgingen und am Ende zwei Verletzte zu beklagen waren.

Seinerzeit freute sich Berlins Innensenator Frank Henkel, dass es wegen der Polizeipräsenz sofort zur Festnahme des mutmaßlichen Täters und Messerstechers kam — auch wenn dieser umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, da seine Tat für einen Haftbefehl offenbar nicht ausreichte. Der 29-jährige Hesse als jüngstes Alex-Opfer hingegen muss mit der Erwartung leben, dass seine Täter wohl nie ermittelt werden. Jedenfalls hat die Polizei keine Hinweise und Verdachtsmomente auf die beiden Männer.

Nach der Analyse des Innensenators ist der Alex "gerade am Wochenende zu einer durchaus problematischen Partymeile geworden, die auch eine alkoholgeneigte und konfliktbereite Klientel anzieht". Und Henkel erkennt zudem die "subjektive Wahrnehmung vieler Menschen, dass der Alex ein unsicherer Raum ist". Aus diesem Grund sei es richtig gewesen, die Sicherheitsmaßnahmen "deutlich zu erhöhen". Doch offenkundig reicht auch das nicht. Verhaltenstipps für Touristen oder Hinweise auf bestimmte Zeiten, an denen Besucher den Alex tunlichst meiden sollten, will die Berliner Polizei jedoch nicht geben. Angesichts der Vielzahl von Menschen, die täglich auf dem Alex unterwegs seien, handele es sich bei den Vorfällen lediglich um bedauerliche "Einzelfälle", erläuterte eine Polizeisprecherin.

Die Polizei kann darauf verweisen, dass die Hauptstadt in dieser Hinsicht einen deutlich positiven Trend vorzuweisen hat: Die Zahl der Körperverletzungen auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen sei im vergangenen Jahr um über 13 Prozent auf ein Zehnjahrestief gefallen. 3611 Fälle im Jahr 2013 bedeuten aber auch, dass in Berlin Tag für Tag fast zehn Menschen in aller Öffentlichkeit ein Opfer von Gewalttaten werden.

(may-)
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