"German Angst" Die deutsche Angst kommt zurück

Berlin · Wirtschaftlich geht es den meisten Bürgern gut. Dennoch fürchten sich viele wieder stärker vor der Zukunft. Warum? Eine neue Studie gibt Einblicke und zeichnet ein bemerkenswertes Bild.

 Nur noch 36 Prozent der Befragten sehen dem kommenden Jahr mit Hoffnung entgegen.

Nur noch 36 Prozent der Befragten sehen dem kommenden Jahr mit Hoffnung entgegen.

Foto: dpa, ve fpt fdt

Die Chefin des Allensbach-Instituts, Renate Köcher, ist eine erfahrene Meinungsforscherin. Doch ihr jüngster Befund zur Stimmungslage der deutschen Bürger dürfte die Professorin selbst überrascht haben: Da geben 70 Prozent der befragten Beschäftigten an, ihrem Betrieb gehe es sehr gut, auch 54 Prozent der Bürger schätzen ihre wirtschaftliche Lage so ein. Andererseits fürchten sich mehr als drei Viertel vor mehr Gewalt und Kriminalität, vor Terroranschlägen und weiter anhaltender Massenmigration.

Die Studie, die Köcher vor einer Woche bei der SPD-Fraktionsklausur in Berlin hinter verschlossenen Türen präsentierte und die unserer Redaktion vorliegt, zeichnet tatsächlich ein bemerkenswertes Bild. "Die Stimmungslage der Bürger ist zurzeit von einer ungewöhnlichen Konstellation geprägt: Die materielle Zufriedenheit wächst, die Sorgen um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes bewegen sich auf niedrigem Niveau, aber der Zukunftsoptimismus ist steil zurückgegangen", heißt es in der Präsentation gleich auf der ersten von insgesamt 34 Seiten. Eine Analyse, die Köchers neue Daten aus Erhebungen in der Bevölkerung ab 14 Jahren zulassen, geht so: Wegen der Massenmigration im vergangenen Jahr sind die Bürger verunsichert. Sie stehen bei Fragen zu ihren Erwartungen an die eigene Zukunft unter dem Eindruck internationaler Konflikte, Terroranschläge und immer neuer Zweifel an der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft. Konkret bedroht fühlt sich indes kaum jemand.

Demnach machen sich weniger als 20 Prozent der Deutschen Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Aber nur noch 36 Prozent sehen dem kommenden Jahr mit Hoffnung entgegen - schlechter war der Wert lediglich nach dem Beginn der Finanzkrise 2008 (34 Prozent), den Terroranschlägen vom 11. September 2001 (31 Prozent) und der ersten Ölkrise 1973 (30 Prozent). Hingegen zeigten sich 2013, als die Flüchtlingswelle und die jüngsten Terroranschläge noch in der Zukunft lagen, 56 Prozent der Deutschen hoffnungsfroh. Auch zwischen den Terroranschlägen im Jahr 2001 und der Wirtschaftskrise ab 2008 hatte sich die Zuversicht wieder erholt, lag 2007 bei immerhin 50 Prozent.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Zukunftsangst in der Bevölkerung extrem volatil ist, also den äußeren Umständen entsprechend stark schwankt. Das äußert sich beispielsweise auch im Sicherheitsgefühl der Menschen. 82 Prozent fürchten Allensbach zufolge eine Zunahme von Gewalt, 74 Prozent einen Terrorakt im Land. 92 Prozent wollen mehr Polizei, 51 Prozent die Bundeswehr zum Schutz im Inland einsetzen. Gleichzeitig räumen 70 Prozent der Befragten der Integration von Flüchtlingen in Deutschland kaum Erfolgschancen ein. Aber: Bei der Frage, was den Studienteilnehmern sehr wichtig ist, rangiert die Integration von Ausländern mit 31 Prozent auf dem letzten von sieben Plätzen. Soziale Gerechtigkeit hingegen steht mit knapp 80 Prozent ganz oben auf der Prioritätenliste. Für den Wahlkampf dürften damit die Themen öffentliche Sicherheit und Armutsbekämpfung also bereits gesetzt sein.

(jd)
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