Tonträger und Lebensgefühl Die Musikkassette wird 50

Düsseldorf · Sie kam mit verschiedenfarbigen Aufklebern daher, die man von Hand beschriften konnte, ließ sich ohne technisches Wissen einfach in einen Kassettenrekorder einlegen und gab dann auf A- und B-Seite jeweils rund 60 Minuten Ton von sich: die Musikkassette. Trotz ihrer Macken gehört sie zu den Lieblingserinnerungen mehrerer Generationen.

 Die gute alte Musikkassette mit A- und B-Seite.

Die gute alte Musikkassette mit A- und B-Seite.

Foto: Shutterstock/ TACstock1

Heute vor 50 Jahren, am 28. August 1963, brachte die Firma Phillips einen neuen Datenträger auf den Markt. Geplant war die so genannte Compact Cassette eigentlich als Diktiergerät für die Geschäftswelt. Doch binnen kürzester Zeit fand sich das Musikmedium in den meisten deutschen Wohnzimmern wieder. Die Gründe dafür waren einfach: Im Vergleich zur Schallplatte war sie kostengünstig, handlich und vor allem erlaubte die Kassette ihren Hörern zum ersten Mal, ihr ganz persönliches Musikprodukt zusammenzustellen.

Bis heute drückt das Wort "Mix-Tape" bei vielen auf den Nostalgie-Knopf. Sie sehen sich vor dem Rekorder sitzend, Tasten drückend mit Songlisten. Stunden wurden investiert, um die richtige Mischung zu finden. Anfangs noch mit Songs aus dem Radio, in die nicht selten, und zum Ärger des Aufnehmenden, der Radiomoderator reinbrabbelte. Später gingen die Songs auch von Kassette zu Kassette. Bis nach langer Arbeit ein Kunstwerk mit spezieller, zweckgebundener Choreografie entstand: der ultimative Partymix oder eine vertonte Liebesbotschaft.

Musik für unterwegs

Erfindungen wie der Walkman im Jahr 1979, bescherten dem Tape dann das endgültige Verkaufshoch. Plötzlich konnte Musik nicht mehr nur zu Hause, sondern überall gehört werden. Die höchste Verkaufszahl erreichte das Medium 1991. Damals wurden 78,4 Millionen davon verkauft. Allerdings wanderte da längst nicht mehr nur Musik über den Ladentisch. Denn mit der Kassette wurde auch das Hörspiel berühmt.

Benjam Blümchen, Bibi Blocksberg und natürlich "Die drei ???": Geschichten ohne die so manches Kind der 80er und 90er Jahre keinen Schlaf gefunden hätte. Situationen wie diese waren es, die es möglich machten der Kassette nachzusehen, dass man wegen des ewigen Bandsalates immer einen Bleistift und viel Geduld beim Abspielen brauchte. Dass manchmal nach dem Aufrollen nur noch Katzenjammer vom Band kam, weil der braune Streifen zu oft geknickt worden war. Und dass sie so manchen ganz besonderen Musikmix für immer ins Nichts katapultierte, weil das verflixte Band riss.

Zurück in die Zukunft

Dinge, die in einem Zeitalter, in dem sogar CDs als veraltet gelten, ganz sicher nicht mehr passieren. Inzwischen sind die hohen Hi-Fi-Türme mit Doppelkassettendeck verdrängt. Wo früher die Anlage stand, befindet sich heute nicht selten ein schlankes Laptop. Wo früher der Walkman gezückt wurde, kommt inzwischen der MP3-Player oder das Smartphone zum Vorschein. Seit 2010 werden in Deutschland keine Kassetten mehr produziert. Vereinzelt nur noch ein paar Abspielgeräte für die ältere Generation, die die Technik nicht aufgeben will oder kann.

Der Rest derer, die die MC noch kennen, hütet seine Kassetten im Keller und im Kopf. Kauft zwar die gleichen Hörspiele auf modernen Datenträgern, freut sich aber an Tagen wie heute darüber, dass auch, wenn "Bandsalat" ebenso wie "Wählscheibe" auf der Liste der bedrohten Wörter steht, er noch ganz genau weiß, wie sich das anfühlt, und wie es geht.

(ham)
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