Terror-Verhaftungen in Düsseldorf Die Nachbarn hegten keinen Verdacht

Düsseldorf (RP). In einem gutbürgerlichen Düsseldorfer Mietshaus hat Jamil S. (31) seit mehr als zwölf Jahren unauffällig gelebt. Dass die Bundesanwaltschaft ihn für ein Al-Qaida-Mitglied hält, hat die Nachbarn mehr geschockt als der Einsatz schwer bewaffneter Polizisten.

Fahnder führen Terrorverdächtige ab
10 Bilder

Fahnder führen Terrorverdächtige ab

10 Bilder

Sie kamen am frühen Morgen und stürmten durchs Treppenhaus. Eine junge Mutter aus dem Haus an der Düsseldorfer Witzelstraße, in dem gestern Morgen mindestens ein mutmaßliches Mitglied der Terror-Organisation Al-Qaida festgenommen wurde, dachte zuerst an Einbrecher. "Aber dann rief jemand ,Polizei' und dass wir in unseren Wohnungen sicher seien."

Das sechsstöckige Mietshaus, in dem Jamil S. (31) seit mehr als zwölf Jahren wohnte, liegt am Anfang einer vielbefahrenen Ausfallstraße, wenige Minuten von der Autobahn. Gestern früh blockierten Mannschaftswagen der Polizei die Fahrbahn vor dem Haus, schwarze Kleinbusse mit abgedunkelten Scheiben und Wiesbadener Kennzeichen stoppten vor der Tür. Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte stürmten die Zwei-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Minuten später brachten Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) den Deutsch-Marokkaner in einer Limousine Richtung Karlsruhe, wo er heute dem Haftrichter vorgeführt werden soll.

Jamils Bruder ist fassungslos

Jamils Bruder stand am Freitag ungläubig vor dem Haus, in dem er lange selbst gewohnt hatte. "Er ist kein Terrorist", versicherte er immer wieder, "das muss ein Irrtum sein." Vielleicht sei einer der Freunde Jamils, die oft in der Wohnung übernachtet hätten, ins Visier der Terrorfahnder geraten. "Man kann keinem hinter die Stirn schauen."

Die zahlreichen Besucher des Jamil S. waren den Nachbarn nicht verborgen geblieben. Zwar lebt man in dem Haus recht anonym, kennt sich bloß vom gelegentlichen Grüßen. Aber dass oft auch spät in der Nacht noch bei Jamil S. geklingelt wurde, fiel auf. "Wir dachten, er hat mit Drogen zu tun, vor seiner Tür roch es manchmal so", sagt eine Nachbarin.

Als sie am Vormittag den Müll wegbringen wollte, habe ein Polizist ihr die Tüte aus der Hand genommen und gesagt: "Das machen heute mal wir." Die Mülltonnen im Hinterhof des Hauses wurden zu dieser Zeit bereits ebenso durchsucht wie die Wohnung von Jamil S.. Zehn Stunden nach dessen Festnahme trugen Tatortermittler des BKA kistenweise Beweismaterial in ihre Wagen.

Er grüßte immer freundlich

Bis auf die Drogengerüchte war Jamil S. in seiner Nachbarschaft unauffällig, kaufte am Büdchen nebenan gelegentlich ein, grüßte freundlich. "Ein netter Kerl", sagt der Ladenbesitzer. Dass der Elektroinstallateur heimlich an Bomben gebastelt haben soll, kann sich keiner so recht vorstellen. "Da wird einem ganz anders", sagt ein Nachbar. "Man hört in den Nachrichten von Terroristen und so. Aber doch nicht aus dem eigenen Haus."

Der unauffällige, höfliche, aber zurückhaltende Nachbar, der einen festen Job als Elektrotechniker hatte, der nicht übermäßig religiös und in der örtlichen marokkanischen Gemeinde nicht einmal bekannt war — das erinnert stark an den jungen Architekten Mohammed Atta, der 1992 zum Studium nach Hamburg gekommen war und dort lebte, bis er am 11. September 2001 ein Flugzeug in den Nordturm des World Trade Center in New York lenkte.

Dass Jamil S., bei dem auch sein Freund Abdeladim K. festgenommen worden sein soll, einer Gruppe angehörte, die von Experten mit Attas Hamburger Al-Qaida-Zelle und der berüchtigten "Sauerland-Gruppe" verglichen wird, müssen die Nachbarn in Düsseldorf erst einmal verdauen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort