Dieter Nuhr im Interview zum Thema Islamhetze "Ihr Fundamentalismus beleidigt mein Gefühl für Logik"

Berlin · Der Kabarettist Dieter Nuhr (53) ist von einem Muslim aus Osnabrück wegen angeblicher Islamhetze angezeigt worden. Nuhr schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Bin von Islamisten als "Hassprediger" angezeigt worden, weil ich den Koran richtig zitiert habe." Im Interview mit unserer Redaktion bezieht Nuhr Stellung zu den Vorwürfen und präzisiert seine Aussagen.

 Erhan Toka (links) wirft Dieter Nuhr Islamhetze vor.

Erhan Toka (links) wirft Dieter Nuhr Islamhetze vor.

Foto: dpa, bsc

Auf die Frage, warum religiöser Fanatismus seit vielen Jahren ein Leitmotiv in seinem Programmen ist, antwortet Nuhr: "Weil ich Fundamentalismus jeder Art, auch den religiösen, gefährlich finde." Und in bezug auf die Anzeige und ihr Motiv: "Das ist die übliche Methode der Verdrehung, mit der Radikale arbeiten. Sie wenden den Vorwurf, der sie zu Recht trifft, gegen ihre Kritiker. Den Trick kennen auch die Nazis, die dann scheinbar für Meinungsfreiheit demonstrieren."

Deutlich macht Nuhr auf jeden Fall aber, dass er die Muslime nicht unter Generalverdacht stellt: "99,9 Prozent der Muslime in Deutschland verstehen den Koran nicht als konkrete Handlungsanweisung, sondern sehen ihn in seinem historischen Kontext. Man muss allerdings das Radikale und Gefährliche benennen dürfen, ohne dass daraus automatisch eine Stigmatisierung der großen Masse wird. Selbstverständlich sind auch beim Islam die Dinge nicht schwarz-weiß. Hilfreich wäre sicher, wenn sich die große Masse der Vernünftigen selbst immer wieder klar von den Verrückten distanzieren würde."

Was die Beleidigung von religiösen Gefühlen angeht, gibt sich Nuhr lapidar: "Wenn mir jemand sagt, eine Pointe beleidige seine religiösen Gefühle, entgegne ich: 'Und Ihr Fundamentalismus beleidigt mein Gefühl für Logik'."

Letzlich kommt Nuhr allerdings zu einer traurigen Erkenntnis: "Zum Beispiel muss man einfach mal feststellen dürfen, dass … man in unserem Land zum ersten Mal seit 1945 wieder aufpassen muss, was man sagt, wenn man keine physische Gewalt erleiden will."

Vorwurf der Beschimpfung von Religionsgemeinschaften

Erhan Toka hatte ihm zuvor Beschimpfung von Religionsgemeinschaften vorgeworfen, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ, Samstag) berichtete. Nuhr hat sich wiederholt kritisch mit dem Islam auseinandergesetzt. Den Vorwurf anti-islamischer Hetze wies er zurück. "Ich finde es lustig, weil ich ja keine Religionsgemeinschaft beschimpfe", sagte der 53-Jährige der "Welt am Sonntag".

Zugleich verteidigte er kritische Äußerungen. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die bei uns lange erkämpfte Meinungsfreiheit nicht mehr ernst genommen wird, wenn sich Islamisten dagegenstemmen." Der "NOZ" (Online) sagte Nuhr, er werde weiter vor Gefahren des radikalen Islam warnen. "Nur zur Erinnerung: Die Salafisten sind es, die den Mördern und Folterern nahestehen, aus ihren Reihen stammen die meisten der Dschihadisten, die von Deutschland aus in den Nahen Osten reisen."

Zugleich warf er dem Großteil seiner Kollegen vor, sich nicht kritisch mit dem Islam auseinanderzusetzen. "Die ziehen dann halt den Schwanz ein. Sonst wäre man ja "islamophob"." Angst habe er nicht. "Ich beleidige ja auch weder die Religion noch den Propheten."

Beschwerdeführer Toka sagte der "NOZ", Nuhrs Kritik sei verletzend. Die Tageszeitung "Welt" (Samstag) zitiert Toka mit dem Vorwurf, Nuhr betreibe "blöde, dumme Hetze gegen eine Minderheit". Bei einem Auftritt Nuhrs am Samstagabend in Osnabrück demonstrierten rund 25 Menschen vor der Halle gegen die Äußerungen des Kabarettisten. Nach Angaben der Polizei blieb die Kundgebung friedlich.

Nicht nur Toka kritisiert den Kabarettisten. Der Migrationswissenschaftler Klaus J. Bade sagte der "Welt": "Da verwechselt einer den Islam mit dem Islamischen Staat". Pauschale Diffamierungen anstelle von Differenzierungen würden nur neue Schreckensbilder schaffen. Nuhr hatte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" 2011 unter anderem geschrieben, dass dem Islam Toleranz fremd sei. Nuhrs Anhänger unterstützten ihn auf seine Facebook-Seite.

Nuhr - ein Lehrer mit Wortwitz

Mit Wortwitz und zahlreichen TV-Auftritten ist Dieter Nuhr zu einem der erfolgreichsten deutschen Kabarettisten geworden.
Der studierte Lehrer für Kunst und Geschichte tritt seit 1994 mit Soloprogrammen landesweit auf.

Geboren am 29. Oktober 1960 in Wesel (Nordrhein-Westfalen) und aufgewachsen in Düsseldorf, machte vor allem seine humorvolle Begleitung mehrerer Großereignisse - wie der Fußball-Weltmeisterschaften 1998 und 2002 im ZDF - den heute 53-Jährigen einem breiten Publikum bekannt. In Erinnerung blieb besonders sein Spruch: "Bei der Fußball-WM habe ich mir Österreich gegen Kamerun angeschaut. Auf der einen Seite Exoten, fremde Kultur, wilde Riten - und auf der anderen Seite Kamerun."

Nuhr ist bisher der einzige Künstler, der sowohl den deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett als auch den Deutschen Comedypreis als bester Live-Act gewonnen hat. Ausgezeichnet wurde der verheiratete Vater einer Tochter auch wegen seines Einsatzes für die deutsche Sprache. "Er bringt seinem Publikum auch Sprachkritik nahe und regt es an, über die Wirkung von Sprache nachzudenken", begründete die Jury des renommierten Jacob-Grimm-Preises in Kassel kürzlich die Verleihung an Nuhr.

Der Künstler tritt auch als Fotograf und Autor auf. Er hat mehrere Fernsehsendungen moderiert. Ein Ende ist seiner offiziellen Biografie zufolge nicht in Sicht: "Nuhr will mindestens 120 werden, da er davon ausgeht, dass es bis dahin für alles Ersatzteile gibt", heißt es dort.

Mit Agenturmaterial

(felt)
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