Tod eines Asylbewerbers Dresden — eine Stadt kommt nicht zur Ruhe

Dresden · Nach dem gewaltsamen Tod eines Asylbewerbers in Dresden schießen wilde Spekulationen ins Kraut. Die Ermittlungen stehen aber noch ganz am Anfang. Zur Ruhe wird die sächsische Landeshauptstadt, in der die "Pegida"-Demonstrationen ihren Ursprung haben, wohl so schnell nicht kommen.

So demonstrierten 35.000 in Dresden gegen "Pegida"
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Am Montagabend war Khaled I. zuletzt gesehen worden, am Dienstagmorgen wurde er von Passanten tot am Hintereingang seines Wohnhauses in einem Dresdner Plattenbaugebiet gefunden. Zunächst hatte die Polizei mitgeteilt, dass es für Fremdeinwirkung keine Anhaltspunkte gebe. Doch nun liegt das Obduktionsergebnis vor, der junge Mann aus Eritrea starb demnach durch mehrere Messerstiche in den Hals- und Brustbereich.

Der Tod des 20-Jährigen hat insbesondere im Internet Spekulationen aufkommen lassen, ob es sich um einen fremdenfeindlichen Angriff gehandelt haben könnte. Bislang wurde weder die Tatwaffe gefunden, noch gibt es Hinweise auf Täter, Hintergründe und Umstände des Verbrechens. Die Arbeit der Mordkommission, die auf 25 Mann aufgestockt wurde, befindet sich noch im Anfangsstadium. Bis klar ist, ob es sich tatsächlich um eine Tat mit fremdenfeindlichen Hintergrund handelt, könnte es also noch dauern. Falls die Ermittlungen überhaupt jemals zu einem Ergebnis kommen. Entsprechend warnt unter anderem Dresdens Oberbürgermeisterin Helga Orosz vor Spekulationen über die Täter und Hintergründe.

Ein Hotel, das doch kein Asylbewerberheim wird

Hinzu kommt auch die Nachricht der Stadtverwaltung von Anfang der Woche, nach der der Eigentümer eines Hotels in Dresden ein Angebot zurückzog, sein Haus als Asylbewerberheim an die Stadt zu vermieten. Als Grund nannte die Stadt massiven Widerstand "aus der Bevölkerung und dem näheren Umfeld", etwa asylkritische Schmierereien am Hotel und Gewaltdrohungen in sozialen Netzwerken.

Die Verwaltung des Hotels teilte dagegen der Zeitung "Die Welt" mit: "Die Entscheidung, an dem genannten Standort keine Vermietung an die Stadt Dresden vorzunehmen, hat interne Gründe, die nur zum Teil mit dem Widerstand der Anwohner im Zusammenhang stehen."

Die beiden Fälle und die damit einhergehenden Spekulationen zeigen, wie angespannt die Stimmung in der sächsischen Landeshauptstadt ist. So hatten sich am Mittwoch dutzende Asylbewerber aus Afrika zu einer Mahnwache angesichts des Todes von Khaled I. in Dresden versammelt. Laut "Sächsischer Zeitung" kritisierten viele, dass sie seit Monaten immer öfter Opfer von Anfeindungen und Angriffen würden. "Wir haben Angst", zitiert die Zeitung Teilnehmer der Mahnwache.

Sozialarbeiter, der Sächsische Flüchtlingsrat und weitere Initiativen, so schreibt die Zeitung weiter, hätten vor Ort die "Pegida"-Demonstrationen für ein Klima in Dresden verantwortlich gemacht, das solche rassistischen Übergriffe begünstige.

Auch Khaldun Al Saadi, Sprecher des Islamischen Zentrums in Dresden, hatte im Interview mit der "Tagesschau" gesagt, dass sich die Muslime in der Stadt seit "Pegida" wieder Sorgen machten und ihre Kinder montags, wenn die Demos sind, nicht mehr auf die Straße ließen. Die Organisatoren von "Pegida" allerdings wehren sich immer wieder gegen den Vorwurf des Rechtsextremismus. Die Bewegung wendet sich gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes und holte zuletzt 25.000 Anhänger auf die Straße.

Dutzende Bürger zeigen Flagge für das "bunte Dresden"

In keiner anderen Stadt mobilisiert die Anti-Islam-Bewegung so viele Menschen, überall sonst dominieren die Gegendemonstranten. Sächsische Politiker machten sich daher schon vor einigen Wochen Sorgen um den Ruf der sächsischen Landeshauptstadt.

Dass Dresden aber eigentlich ganz anders ist, sagte auch Khaldun Al Saadi der "Tagesschau". Und die Dresdner selbst beweisen das immer wieder. So wächst auch dort die Zahl derer, die gegen die "Pegida"-Bewegung und gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen. Bündnisse wie "Dresden für alle" oder "Dresden Nazifrei" kämpfen für den Ruf Dresdens als tolerante Stadt.

Und auch am Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg, den Neonazis immer wieder missbrauchen, stehen tausende Dresdner Jahr für Jahr auf, um zu zeigen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in ihrer Stadt nichts zu suchen hat.

Die sächsische Landesregierung versucht unterdessen, mit einem neuen Dialog-Forum auf die "Pegida"-Demonstranten zuzugehen. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Miteinander in Sachsen" werden interessierte Bürger willkommen geheißen. Am kommenden Mittwoch wollen Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), Integrationsministerin Petra Köpping (SPD), Dresdens Erster Bürgermeister Dirk Hilbert und weitere Politiker mit 300 Bürgern ins Gespräch kommen. Themenschwerpunkt: Asyl, Integration und Zuwanderung.

(das)
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