Aachen Ex-SS-Mann wegen "Silbertannen"-Morden vor Gericht

Aachen (RPO). Mit einem Antrag der Verteidigung auf Ablösung des ermittelnden Staatsanwalts hat am Mittwoch in Aachen eines der letzten NS-Kriegsverbrecherverfahren begonnen. Das Mordprozess gegen den 88-jährigen Heinrich B. wurde daraufhin ohne Verlesung der Anklage auf Montag vertagt.

Aachen: Ex-SS-Mann wegen "Silbertannen"-Morden vor Gericht
Foto: ddp

Der heute in einem Altenheim lebende Ex-Bergmann soll 1944 als Mitglied eines SS-Kommandos drei Männer in Breda, Voorschoten und Wassenaar erschossen haben.

Mit dem Antrag, den Dortmunder Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß, zu ersetzen, setzte sich das jahrelange juristische Tauziehen um die Ahndung der NS-Morde auch zu Prozessbeginn fort. Maaß hatte als Leiter der Dortmunder Schwerpunktstaatsanwaltschaft für NS-Verbrechen 2007 neue Ermittlungen gegen B. aufgenommen, die mehr als 65 Jahre nach den Morden nun in den Prozess vor der Aachener Strafkammer mündete.

"Sonderkommando Feldmejer"

Die Verteidiger von B. warfen Maas nun vor, er habe sich durch Äußerungen in Medienberichten einseitig auf eine Verurteilung des früheren SS-Mannes festgelegt und wolle keine Argumente zugunsten des Angeklagten zulassen. Dies aber laufe dem in der Verfassung verankerten Gebot eines fairen Verfahrens zuwider.

Das Gericht wird voraussichtlich am Anfang kommender Woche über den Antrag auf Ablösung von Maaß entscheiden. B. soll drei von mindestens 54 Morden begangen haben, die das "Sonderkommando Feldmejer" der "Germanischen SS in den Niederlanden" verübte. Opfer der Verbrechen unter dem Codenamen "Silbertanne" wurden Niederländer, die von den Nazis als "antideutsch" eingestuft wurden. Laut Anklage erschoss B. die drei Zivilisten im Juli und September 1944 in Breda, Voorschoten und Wassenaar heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen.

Flucht aus niederländischer Haft

Zu den Opfern zählte ein Apotheker und ein Fahrradhändler, dessen Sohn dem ersten Prozesstag in Aachen als einer von drei Nebenklägern beiwohnte. "Endlich ist es so weit", sagte der 76-jährige Finanzberater Teun de Groot vor Prozessbeginn. "Heute habe ich erreicht, worauf ich viele Jahre gehofft habe."

Wegen der Morde hatte ein Sondergericht in Amsterdam B. 1949 in Abwesenheit zum Tod verurteilt, die Strafe wurde im nachhinein in lebenslänglich umgewandelt. Zuvor war dem SS-Mann die Flucht aus niederländischer Haft gelungen.

Er tauchte zunächst in den Niederlanden unter und kehrte später nach Deutschland zurück, wo er unbehelligt blieb - unter anderem, weil offenbar die Kooperation zwischen der niederländischen und der bundesdeutschen Justiz nicht funktionierte. In den 1980er Jahren und zu Beginn dieses Jahrzehnts scheiterten die Niederländer zudem mit Versuchen, B. durch Auslieferung habhaft zu werden oder aber die in Amsterdam verhängte Strafe in Deutschland vollstrecken zu lassen.

Für das Verfahren gegen den herzkranken 88-Jährige sind weitere zwölf Verhandlungstagen anberaumt. An dem Prozess sind insgesamt drei Nebenkläger beteiligt. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem begrüßte den Beginn des Prozesses.

Der Leiter des Zentrums, Efraim Zuroff, wertete den Verfahrensbeginn als "sehr starkes Zeichen dafür, dass der Zeitabstand die Schuld der Täter nicht verringert und dass ein hohes Alter die Mörder von unschuldigen Zivilisten nicht schützen darf". Ausdrücklich lobte Zuroff die "Zielstrebigkeit" der deutsche Staatsanwälte, insbesondere diejenige von Maaß.

(AP/csr)
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