Verfassungsschutz in NRW Salafistische Frauen-Netzwerke - Experten nicht überrascht

Düsseldorf · Der Verfassungsschutz in NRW sieht die Gefahr der Entstehung von salafistischen Parallelgesellschaften in Deutschland. Der Grund dafür sei, dass der Salafismus immer weiblicher werde.

 Vollverschleierte Frauen mit Nikab im Juni 2014 auf einer Kundgebung eines radikalen Salafistenpredigers in Offenbach am Main.

Vollverschleierte Frauen mit Nikab im Juni 2014 auf einer Kundgebung eines radikalen Salafistenpredigers in Offenbach am Main.

Foto: dpa

Das sagte Burkhard Freier, der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Weil viele charismatische Führungspersonen der salafistischen Szene in Haft säßen, füllten Frauen die Lücken. "Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein sogenanntes Schwesternetzwerk mit 40 Frauen im Blick."

Diese weiblichen Führungspersonen, von denen manche mehrere hundert Facebook-Follower hätten, seien in der Szene mittlerweile akzeptiert, sagte Freier. "Die Männer haben gemerkt, dass Frauen viel besser netzwerken können und deshalb viel stärker in der Lage sind, die Szene zu binden und am Leben zu halten."

Die 40 "Schwestern" hätten ein komplettes salafistisches Programm im Angebot - von der Kindererziehung über das Kochen und die Interpretation von Religionsvorschriften bis zur Hetze gegen "Nichtgläubige". Das Salafistinnen-Netzwerk werbe und missioniere aggressiv im Netz. "Die Frauen sind mittlerweile Ideologieproduzentinnen", sagte der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes.

Hinzu komme, dass die Frauen ihre Kinder indoktrinierten. "Dadurch wird der Salafismus zu einer Familienangelegenheit, es beginnt etwas zu entstehen, was sehr viel schwerer aufzulösen ist, nämlich salafistische Gesellschaftsteile." Zwar sei nicht jeder Salafist ein Terrorist, sagte Freier. "Aber jeder dschihadistische Terrorist, den wir in den vergangenen Jahren in Europa erlebt haben, kam aus der salafistischen Szene."

Die deutschen Sicherheitsbehörden seien in den vergangenen Jahren mit repressiven Maßnahmen wie etwa dem Verbot der Koran-Verteilaktion "Lies!" sehr erfolgreich gegen die Szene vorgegangen, führte Freier weiter aus. Doch dadurch finde nun immer mehr in Hinterhöfen oder Wohnzimmern statt.

Zugleich radikalisiere sich die Szene weiter. "Es gibt eine immer größere Zahl von minderjährigen Salafisten, die über Gewalt fantasieren", sagte Freier. Durch die militärischen Rückschläge für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) habe sich der Salafismus zu einem Inlandsextremismus entwickelt.

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide betonte, die Nachricht über das "Schwesternetzwerk" sei wenig überraschend. "Ich kann mir vorstellen, dass es noch viele andere salafistische Netzwerke gibt - wenn auch vielleicht etwas weniger straff organisiert", sagte er im Interview der Deutschen Welle.

Die Behörden hätten erst vor wenigen Jahren ein Umdenken bemerkt, "dass Frauen im Salafismus auch eine aktive Rolle spielen". Mit speziellen Angeboten für andere Frauen versuchten sie, die Ideologie der Extremisten zu verbreiten.

Wichtig sei zudem der sogenannte Heirats-Dschihad, so der Münsteraner Wissenschaftler: "Man heiratet einen Dschihadisten, um später Witwe eines Märtyrers zu werden. Damit will man Gott näher kommen".

(csr)
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