Apfelsaftschorle verseucht Fast fünf Jahre Haft für Aldi-Erpresser

Essen (RPO). Fast fünf Jahre muss ein 66 Jahre alter Mann ins Gefängnis, weil er Aldi monatelang erpresst hatte. Dieses Urteil sprach gestern das Landgericht Essen. Der Oldenburger hatte unter anderem mit Petroleum verseuchte Apfelsaftschorle in einer Filiale des Lebensmitteldiscounters deponiert.

 Der 66 Jahre alte Angeklagte hat gestern gestanden, den Lebensmitteldiscounter Aldi über Monate erpresst zu haben.

Der 66 Jahre alte Angeklagte hat gestern gestanden, den Lebensmitteldiscounter Aldi über Monate erpresst zu haben.

Foto: dapd, dapd

Wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung sprach das Landgericht den 66-Jährigen schuldig - und verurteilt ihn zu vier Jahren und neun Monaten Haft.

Ein vor der Erpressung begangener Kreditbetrug mit Urkundenfälschung wurde in das Strafmaß einbezogen.

Auch wenn beim Erpressungsversuch die Übergabe von 800.000 Euro mehrmals scheiterte und die vom Täter verunreinigten Produkte keine Gefahr darstellten, sei es eine "Tat von einem besonderen Gewicht", urteilten die Richter.

Angeklagter legte Geständnis ab

Der Mann hatte zuvor gestanden, den Lebensmitteldiscounter über Monate erpresst zu haben. Dabei forderte er 800.000 Euro und schrieb über 20 Drohbriefe. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, platzierte er mit Lampenpetroleum verunreinigte Apfelschorle, essighaltiges Mundwasser und mit Schwefelsäure bespritzte Kleidungsstücke in Läden.

"Es war immer mein Anliegen, niemanden zu gefährden", sagte der Angeklagte. Als Grund für die Erpressung nannte er finanzielle Schwierigkeiten. "Wir mussten unser Leben wieder in den Griff kriegen", sagte er.

Anders als die Verteidigung sah das Gericht in der Tat keinen minderschweren Fall. Der 66-Jährige habe die Erpressung über einen langen Zeitraum aufrechterhalten und zudem eine "erhebliche Kriminalität" an den Tag gelegt. Das erpresste Geld sei für den Täter in greifbare Nähe gewesen, so der Richter.

Das umfassende Geständnis rechnete die Strafkammer ihm strafmildernd an. Zudem handele es sich um einen "Ausnahmefall", da der Oldenburger im hohen Alter zum ersten Mal mit solch einem schweren Delikt straffällig geworden sei. Der Vollzug des Haftbefehls wurde bis zum Haftantritt ausgesetzt.

Staatsanwaltschaft: Angeklagter zeigt "gefährliches Verhalten"

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gefordert. "Das ist ganz, ganz schlimme Kriminalität", sagte Staatsanwalt Thomas Holz. Der Beschuldigte habe die Polizei über Monate im Atem gehalten und immense Kosten erzeugt. Mit der Kontaminierung von Lebensmitteln habe der Mann ein "gefährliches Verhalten" gezeigt.

Verteidiger Gerhard Thien sprach in seinem Plädoyer hingegen von einem minderschweren Fall und forderte eine Strafe von deutlich unter fünf Jahren. Der Angeklagte sei bei der Tat auf "laienhafte Art" vorgegangen, sagte Thien. Gutachten belegten die Ungefährlichkeit der kontaminierten Produkte.

Mehr als 20 Drohbriefe

Mit einem ersten Brief an die Aldi-Hauptverwaltung in Essen am 10. März 2010 begann die Erpressung. Darin forderte der Täter 800.000 Euro und gab an, in mehreren Filialen ungenießbar gemachte Produkte ausgelegt zu haben. "Da Sie ja alles für Ihre Kunden tun, werden Sie schnell handeln", hieß es darin. In einem späteren Schreiben wurde dann angegeben, dass es in zwei Filialen in Bremen und Cloppenburg "lebensgefährlich" sei.

Dort waren zuvor Flaschen mit Apfelschorle platziert worden, die mit Lampenpetroleum verunreinigt wurden. Nach weiteren Schreiben wurden in einer Bremer Aldi-Filiale Kleidungsstücke mit Schwefelsäure bespritzt und dadurch unbrauchbar gemacht. In dem Drohbrief schrieb der Angeklagte: "Sitzen Sie nicht auf Ihrem Geld."

Aldi schaltete - wie von dem Erpresser gefordert - mehrere Annoncen in Tageszeitungen und gab ihm so ein Zeichen, dass der Konzern die Erpressungsschreiben erhalten hatte. Nach zahlreichen weiteren Drohungen und Täterschreiben sollte es am 12. August 2010 zu einer ersten Geldübergabe in Oldenburg kommen, die jedoch nicht erfolgte. Auch weitere Versuche scheiterten, weil sich der Erpresser beobachtet fühlte.

Großaktion der Polizei

Die Aktionen waren stets von verdeckt arbeitenden Polizeibeamten begleitet worden. Aldi hatte die Polizei bereits nach dem ersten Drohbrief eingeschaltet. Zwischenzeitlich waren mehrere Hundert Polizisten aus vier Bundesländern an den Ermittlungen und Polizeiaktionen beteiligt.

"Der Aufwand war enorm", sagte der leitende Ermittler vor Gericht. Zwar komme es immer wieder zu vergleichbaren Erpressungen, aber dass verunreinigte Produkte in Läden platziert würden, "habe ich so noch nie erlebt", sagte der Ermittler.

Zum Verhängnis wurde dem Mann am Ende ein gegen ihn laufendes Verfahren wegen Kreditbetrugs. Nachdem die Polizei seinen Computer sichergestellt hatte, fanden sie dort auch Beweise für die Erpressungsversuche. Nach einem halben Jahr der Erpressung wurde der 66-Jährige Ende September festgenommen. Kurz vor Eröffnung des Prozesses unternahm er in der Untersuchungshaft einen Selbstmordversuch, den er mit "grausamen" Haftbedingungen erklärte.

(apd/pes-)
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