Höfe wegen Dioxin-Skandals gesperrt Fettreste der Biodiesel-Produktion im Tierfutter

Düsseldorf (RPO). Der Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter weitet sich aus. Ursache für die Verseuchung von Tierfutter sind laut Behördenangaben Fettresten aus einer Biodiesel-Produktion bei der Herstellung.

Dioxin-Skandale des vergangenen Jahrzehnts
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Foto: dapd

In Schleswig-Holstein habe der Produzent die giftigen Reste gekauft und zu Futtermittel weiterverarbeitet. Dabei soll durch die Kennzeichnung ersichtlich gewesen sein, dass die Fettreste nur für die technische Industrie bestimmt gewesen sei. Das sagte ein Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dem "Westfalen-Blatt". Der Futtermittelhersteller räumte der Zeitung zufolge ein, "leichtsinnig" gewesen zu sein.

Im nordrhein-westfälischen Kreis Soest ordneten die Behörden indes die Tötung von rund 8000 Legehennen an. Die Tiere seien als Vorsichtsmaßnahme getötet und entsorgt worden, sagte der Chef des Kreis-Veterinärdienstes, Wilfried Hopp. Das Düsseldorfer Umweltministerium wolle die Handelsströme überprüfen, hieß es. Mittel- und langfristig seien gesundheitliche Schädigungen durch den Verzehr dioxinbelasteter Lebensmittel nicht auszuschließen.

In mehreren Bundesländern wurden Betriebe geschlossen, allein 1000 in Niedersachsen, 14 in NRW. Zudem ermittelt die Justiz. Der Bauernverband fürchtet um die Existenz betroffener Betriebe. Zwischen NRW und Niedersachsen ist ein Streit über die Informationspolitik entbrannt, wie unsere Redaktion erfuhr.

Die schwarz-gelbe Regierung in Hannover habe nach Bekanntwerden der Dioxin-Belastung in Eiern und Geflügelfleisch die "verbindlich vorgeschriebenen Informationswege nicht eingehalten", sagte ein Sprecher des von den Grünen geführten NRW-Umweltministeriums unserer Redaktion. Das zuständige Landwirtschaftsministerium in Hannover wies die Vorwürfe als "haltlos" zurück. Man habe sofort Listen mit den Futtermittel-Lieferungen an NRW weitergeleitet. Düsseldorf widerspricht: Die Listen seien längst nicht komplett.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) will sich am Dienstag ein Bild vom Fortgang der Dioxin-Untersuchungen bei Legehennen und in der Putenmast machen. Mittel- und langfristig seien gesundheitliche Schädigungen durch dioxin-belastete Lebensmittel nicht auszuschließen, warnt Remmel. Eine akute Gefährdung durch den Verzehr geringer Mengen Dioxin sei aber nicht zu erwarten.

Der Deutsche Bauernverband fordert eine lückenlose Aufklärung des Dioxin-Skandals. Doch es gibt auch kritische Worte zu den Sperrungen der Höfe und den dadurch enstandenen Lieferstopp der Produkte. Es müsse verhindert werden, "dass landwirtschaftliche Betriebe durch Vermarktungsverbote in Existenz bedrohende Situationen kommen", schreibt der Verband auf seiner Internetseite. Zudem sollen die Verursacher "ohne wenn und aber" für den entstandenen Schaden eintreten.

Bio-Höfe bekamen belastetes Futter nicht

Ein Großteil der betroffenen Länder verabredete am Montag, jeden landwirtschaftlichen Betrieb vorsorglich zu sperren, der das mit dem Umweltgift verseuchte Futter möglicherweise erhalten habe, wie ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums sagte. Der Dioxin-Skandal soll auch im Bundestag diskutiert werden.

Dies betreffe in Niedersachsen rund 1000 konventionelle Betriebe und gelte für Legehennen-, Puten- und Schweinemasthöfe. Bio-Bauernhöfe bekamen das belastete Futter demzufolge nicht. Die Staatsanwaltschaft im schleswig-holsteinischen Itzehoe nahm Ermittlungen auf, Verbraucherschützer forderten einen besseren Schutz der Konsumenten.

Dioxin gilt als krebserregend. Mit dem Gift verunreinigte Futter- oder Lebensmittel waren in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg gefunden worden. Das Futter stammt von dem Futtermittelproduzenten Harles & Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein.

Das Unternehmen bekam nach eigenen Angaben über einen niederländischen Händler dioxinbelastete Mischfettsäure geliefert. Sein Unternehmen sei zunächst von einem Einzelfall ausgegangen, sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert. "Mittlerweile vermuten wir jedoch, dass eventuell auch weitere Partien mit Dioxinen verunreinigt sind."

Die Ware selbst stamme von einer Biodiesel-Anlage der Petrotec AG im niedersächsischen Emden, sagte Sievert. Sie sei von dort direkt an einen Verarbeitungsbetrieb in Bösel geliefert worden, der sie zur Herstellung sogenannter Futterfett-Rohware eingesetzt habe. Am 23. Dezember sei die Belastung dann bei einer Routinekontrolle aufgefallen.

"Nur zur technischen Verwendung"

Die Firma Petrotec mit Sitz im nordrhein-westfälischen Borken wies die Vorwürfe zurück. Die Ware sei "nur zur technischen Verwendung" ausgeliefert worden, sagte Michael Fiedler-Panajotopoulos von Petrotec. Man kooperiere mit den Behörden und wolle den Fall vollständig aufklären. In Hamburg stellte ein Futtermittelhersteller die Verarbeitung einer Fettcharge ein, die er aus Schleswig-Holstein erhalten hatte.

In Niedersachsen wurden als Konsequenz der Giftfunde 34 Proben aus Legehennenbetrieben genommen, die derzeit im Landesamt für Verbraucherschutz untersucht werden, wie der Ministeriumssprecher sagte. Davon stünden bislang 18 Ergebnisse fest, eine der Proben weise einen zu hohen Wert an Dioxin auf.

Der Sprecher prangerte schwere Versäumnisse des Herstellers an. Die Verunreinigung des Hühnerfutters mit Dioxin sei offenbar nicht durch einmaliges menschliches Versagen verursacht worden. Es könne sein, dass das Fett etwa sechs Wochen lang verunreinigt worden sei.

Im nordrhein-westfälischen Kreis Soest ordneten die Behörden die Tötung von rund 8.000 Legehennen an. Die Tiere seien als Vorsichtsmaßnahme getötet und entsort worden, sagte der Chef des Kreis-Veterinärdienstes, Wilfried Hopp, auf dapd-Anfrage. Das Düsseldorfer Umweltministerium wolle die Handelsströme überprüfen, hieß es.

Das Land NRW hatte am vergangenen Freitag vorsorglich 14 Höfe bis auf weiteres gesperrt und Proben angeordnet. Die betroffenen Betriebe liegen in den Kreisen Soest, Steinfurt, Minden, Warendorf und Gütersloh. Bei den Firmen handelt es sich um Legehennen- und Putenmastbetriebe sowie um fünf landwirtschaftliche Betriebe. Zwei Ställe wurden mittlerweile wieder freigegeben. Die anderen Betriebe dürfen weiter keine Eier und kein Fleisch an den Handel liefern.

Auch Brandenburg betroffen

Verseuchtes Futter wurde auch an Betriebe in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg geliefert. Der betroffene Schweinezuchtbetrieb in Thüringen wird nach Ministeriumsangaben aber nicht gesperrt, da die Ferkel, die das Futter gefressen haben, bereits verkauft seien. In Brandenburg wurde dagegen ein Schweinezuchtbetrieb vorsorglich gesperrt, der das dioxinhaltige Futter aus jenem Mischfutterwerk in Sachsen-Anhalt bezogen hatte, das seit einigen Tagen unter Dioxin-Verdacht stehe, sagte eine Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums in Potsdam.

In Sachsen-Anhalt wurden zwei Hähnchenmastbetriebe, ein Schweine- sowie ein Geflügelhalter gesperrt, wie ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Magdeburg sagte. Insgesamt seien im Land 55 Tonnen des verseuchten Mischfettes zu 1000 Tonnen Futtermittel verarbeitet und bereits vollständig an die Tiere verfüttert worden.

Als Konsequenz aus dem sich ausweitenden Skandal fordert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch eine umfangreiche Haftung der Futtermittelhersteller. Zudem müssten die Behörden die Verbraucher unverzüglich darüber informieren, welche Produkte von welchen Herstellern betroffen seien, sagte Sprecherin Christiane Groß der Nachrichtenagentur dapd.

Der Deutsche Verband Tiernahrung mit Sitz in Bonn wies darauf hin, dass die aktuelle Dioxinbelastung durch eine Eigenkontrolle des Herstellers entdeckt worden sei. Woher die Verunreinigung der Mischfettsäure komme, müsse rasch geklärt werden.

(DDP/nbe)
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