Berliner U-Bahn-Schläger Forscher fordern nächtliches Alkohol-Verbot

(RP). Als Reaktion auf den brutalen Angriff eines alkoholisierten 18-Jährigen auf einen 29-Jährigen in einem Berliner U-Bahnhof hat die Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren (DHS) ein nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol gefordert. Die enthemmende Wirkung von Alkohol sehen Forscher als Gefahr.

Gewalt an deutschen Bahnhöfen
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Foto: ddp

Studien zeigten, dass gerade junge Leute die Möglichkeiten an Tankstellen und Spätkaufläden nutzten, um über einen bestimmten Alkoholpegel hinaus weiterzutrinken, erklärte DHS-Geschäftsführer Raphael Gaßmann in Berlin.

Drogen-Expertin Gaby Bartsch verwies auf Erfahrungen der Polizei, wonach sich im Umkreis von nächtlichen Alkoholverkaufsläden die Kriminalität balle.

Bei mindestens 35 Prozent der Gewalttaten und bei mindestens 40 Prozent der Totschlagsdelikte spiele Alkohol eine Rolle, sagte der Kriminologe Rudolf Egg gestern bei der Vorstellung aktueller Zahlen zu Suchtgefahren in Deutschland. Er betonte, dass es sich um Schätzungen handele und der tatsächliche Anteil auch deutlich höher sein könne. Schließlich gehöre der Alkoholtest nicht zu den Standard-Ermittlungen bei der Befragung von Tatverdächtigen.

Alkohol macht Menschen reizbarer

"Es gibt keine Droge, die einen gewalttätig werden lässt", unterstrich der Direktor des Kriminologischen Instituts in Wiesbaden. Durch die enthemmende Wirkung des Alkohols fühlten sich viele Menschen aber mutiger und furchtloser, seien gleichzeitig auch leichter reizbar, erläuterte Egg weiter. Selbst ansonsten friedfertige Personen könnten somit bei geringerer Selbstkontrolle zu erhöhter Aggression neigen. Auch der 18-jährige Berliner habe angegeben, unter Alkoholeinfluss in einer aggressiven Stimmung gewesen zu sein.

Die Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren (DHS) forderte die Bundesregierung auf, die Mittel zur Prävention gegen den Alkoholmissbrauch auf eine Milliarde Euro aufzustocken — und daran die Alkoholindustrie mit Zwangsbeiträgen zu beteiligen. Schließlich gebe die Industrie ebenfalls eine Milliarde für die Alkoholwerbung aus. Unter 193 Nationen nehme Deutschland beim Alkoholkonsum den elften Platz ein. Jeder Bürger konsumiere durchschnittlich pro Jahr den Alkoholgehalt von 40 Flaschen Schnaps — bezogen auf den erwachsenen Anteil der Bevölkerung sei es sogar das Doppelte.

Nach Angaben der DHS haben Testkäufe an Tankstellen ergeben, dass in 50 Prozent der Fälle auch Jugendliche Alkohol bekamen. Selbst von den überführten Verkäufern hätten 30 Prozent auch danach Jugendlichen Alkohol ausgehändigt. In Deutschland gebe es über eine Million Alkoholabhängige und 73.000 alkoholbezogene Todesfälle.

Die Tat in Berlin war am Samstagmorgen gegen 3.30 Uhr verübt worden. Ein bislang nicht polizeiauffälliger 18-Jähriger hatte einen anderen Mann zu Boden geschlagen und dann mehrfach auf den Kopf des Bewusstlosen eingetreten. Der Tatverdächtige hatte sich der Polizei gestellt, war aber wieder auf freien Fuß gekommen. Es bestehe weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr, hieß es zur Begründung. Bei seiner Vernehmung hatte er ausgesagt, alkoholisiert gewesen zu sein und Streit gesucht zu haben.

(RP)
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