Analyse zu Tebartz-van Elst Das Ende eines Hoffnungsträgers

Limburg / Düsseldorf · Der umstrittene Limburger Bischof Franz-Peter Tebarzt-van Elst hat seinen Amtsverzicht angeboten, Papst Franziskus nahm ihn an. Den Ausschlag gab der gestern veröffentlichte Prüfbericht über die Baukosten der neuen Bischofsresidenz in Höhe von mindestens 31,5 Millionen Euro.

Franz-Peter Tebartz-van Elst: Eine Chronik der Affäre im Bistum Limburg
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Bischof Tebartz-van Elst - eine Chronik der Skandale

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Foto: dpa, Fredrik Von Erichsen

Das "Kündigungsschreiben" für den Bischof aus Limburg zählt 108 Seiten. Und wäre dieses Papier nicht mit der technokratisch ellenlangen Bezeichnung "Abschlussbericht über die externe kirchliche Prüfung der Baumaßnahme auf dem Domberg in Limburg" überschrieben, man könnte ihn fast als einem Krimi bezeichnen. Minutiös werden darin die Beratungen und Konferenzen seit 2004 aufgeführt, zentrale handelnde Personen vorgestellt und Zwischenergebnisse geliefert. Am Ende wird eine Hierarchie beschrieben, in der ein paar Beteiligte mit dem Bau zunehmend überfordert waren, die sich einzuigeln begannen und kommunikationsunfähig wurden. Zum Schluss ging es meist nur noch um Tricksereien — wie etwa die Aufteilung des Bauprojektes mit insgesamt 16 Architektenverträgen, wodurch die "Rom-Genehmigungsgrenze" ab fünf Millionen Euro unterschritten wurde.

In seinen Fakten bietet der Abschlussbericht kaum etwas Neues. In der Darstellung der Entscheidungswege wird aber ein fast pathologisches System sichtbar. Stimmen der Vernunft bleiben ungehört. So heißt es im Bericht fast lapidar, dass der Generalvikar — also der Finanzminister des Bistums — schon nach wenigen Sitzungen nicht mehr an den Baubesprechungen teilnahm, da ihm das Projekt nach eigenen Worten "zu groß und zu teuer" wurde. Ende 2007 ermittelt das Domkapitel etwa sechs Millionen Euro; nach bisherigem Stand werden es mindestens 31,5 Millionen Euro werden. Und spätestens mit der Übernahme der Bauherrenschaft durch den bischöflichen Stuhl wurde ein in sich geschlossenes System geschaffen und jede Kontrollmöglichkeit faktisch ausgeschaltet.

Prüfbericht hinterfragt ein ganzes System

Das war den Beteiligten auch bewusst; im Herbst 2013 waren Franz-Peter Tebartz-van Elst die Baukosten nachweislich bekannt, heißt es in dem Prüfbericht. Zudem bat der Bischof die wenigen Eingeweihten eindringlich darum, die Zahlen keinesfalls zu veröffentlichen. So ist der Kommissionsbericht das Dokument eines Scherbenhaufens mit überforderten Entscheidungsträgern, mit zweifelhaften Geheimhaltungen aus falscher Loyalität zum Bischof und schließlich einem schwindenden Unrechtsbewusstsein.

Der gestrige Prüfbericht beschreibt mit dem bischöflichen Amtsverzicht nicht nur das Ende eines geistlichen Hoffnungsträgers, der in Rekordzeit Theologie- und Philosophie studiert hatte, bereits mit 25 Jahren zum Priester geweiht wurde; bald schon Professor für Pastoraltheologie, 2004 Weihbischof und 2008 Bischof von Limburg wurde. Der Prüfbericht hinterfragt auch das System der Bistumsleitung und die Struktur von Entscheidungsfindungen. Wer daraus Lehren ziehen will, wird größere Reformen im Auge haben müssen.

Dass er nicht wiederkehren würde, war vielen klar

Dass Tebartz-van Elst nicht mehr an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren würde (ob er es wirklich gewollt hat nach allem, was auf ihn in den letzten Monaten niedergegangen ist?), war seinen bischöflichen Mitbrüdern in Deutschland seit langem klar. Bei der Frühjahrsvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vor kurzem in Münster erlebte man jeden Gesprächspartner, ob in Violett oder Purpur, irritiert und still den Kopf schüttelnd über die Causa Tebartz; zugleich auch davon überzeugt, dass die leidige Angelegenheit hoffentlich bald mit einem päpstlichen "Roma locuta, causa finita" ("Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt") beendet werde. Dass Franziskus sich der Mindermeinung seines Präfekten für die Glaubenslehre, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, anschließen und den Auszeit-Bischof Tebartz-van Elst wieder in sein Amt zurückkehren lassen werde, daran glaubte wohl nicht einmal Müller selbst. Nachdem vor kurzem ein anderer Verteidiger von Tebartz-van Elst, Kurien-Erzbischof Georg Gänswein, ein großes Fragezeichen hinter die Paarung Bischof Tebartz und Bistum Limburg gesetzt hatte, ahnten auch die letzten Anhänger von Tebartz-van Elst, dass es wohl keine Rückkehr an die Lahn geben würde. Das Band des Vertrauens ist zerrissen, Reparatur unmöglich. Das wusste auch der ins Gerede gekommene, 54-jährige habilitierte Theologe Tebartz-van Elst, als er bereits im Oktober anlässlich einer Audienz bei Franziskus diesem seinen Amtsverzicht anbot.

Die Suche nach dem Nachfolger

Franziskus entschied sich für den sowohl gründlichen als auch kirchenrechtlich korrekten Weg: Zuerst musste der Prüfbericht zu den Schuldfragen bei Bau und Finanzierung des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus am Limburger Domberg erstellt werden. Unabhängig von Schuldfragen kamen letztlich "schwerwiegende Gründe" zum Tragen, die "eine fruchtbare Ausübung des bischöflichen Amtes" verhindern. Tebartz-van Elst muss Limburg nicht verlassen aufgrund einer kirchenrechtlichen Bestrafung nach gravierender Verfehlung im Leitungsamt, sondern aufgrund der faktischen Unmöglichkeit, eine "Herde" zu hüten, die von ihm nicht mehr "gehütet" werden will.

Wie im weltlichen Leben, so gilt auch im kirchlichen: Wenn ein Leitender abtritt, muss man einen neuen an seine Stelle setzen (wählen). Wer könnte das sein? Der vom Papst als Diözesan-Administrator eingesetzte Paderborner Weihbischof Manfred Grothe wird es nicht sein. Grothe wird Anfang April 75 Jahre alt, muss dann dem Papst seinen Rücktritt anbieten.

Häufiger wurde zuletzt der humorvolle Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp genannt. Jemand, der den 46 Jahre alten Westerwälder überwiegend kritisch beobachtet, lobte ihn immerhin als "intelligenten Konservativen". Schwaderlapp ist ein Konservativer mit dem Wahlspruch "Fröhlich. Geduldig. Beharrlich". Er könnte das repräsentieren, was in Limburg jetzt nottut: einen jüngeren Bischof mit Elan und katholischem Spirit zu bekommen, der auch die Traditionalisten in der Diözese, die "ihrem Bischof Franz-Peter" nachtrauern, versöhnlich stimmt.

(RP)
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