Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien Furcht vor Armutszuwanderung aus dem Osten

Dortmund · Das Jahr 2014 wird für die Kommunen ein Angst-Jahr. Denn sobald in Europa die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgarien und Rumänien gilt, würde die Armutszuwanderung enorm steigern. Und das bringt Lasten mit sich.

2011 wanderten 958.000 Menschen nach Deutschland ein
6 Bilder

2011 wanderten 958.000 Menschen nach Deutschland ein

6 Bilder

Ob Wohnungskosten für Langzeitarbeitslose, Erziehungshilfen für kaputte Familien oder Grundsicherung für Arme: Wachsende Soziallasten schnüren vielen Städten und Gemeinden die Luft ab. Unter dem Stichwort "Armutszuwanderung" wird nun ein mögliches weiteres Problem für klamme Kommunen diskutiert. Vom 1. Januar 2014 an gilt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen in Europa.

Der Deutsche Städtetag gibt sich besorgt. Kürzlich listete er einen ganzen Katalog von Problemen auf, mit denen sich die Kommunen zum Teil heute schon konfrontiert sehen - und die sich verschärfen könnten. "Oft ist der Gesundheitszustand schlecht. Meist fehlt eine Krankenversicherung. Die Armutsflüchtlinge leben zum Teil in überfüllten Wohnungen und in verwahrlosten Immobilien, teilweise in sonstigen provisorischen Unterkünften", klagte der Städtetag. "Fälle von Kriminalität, Bettelei und Prostitution führen zu Problemen in den Nachbarschaften."

Bessere Verhältnisse in Herkunftsländern nötig

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) erklärte: "Die realen Probleme dieser Menschen müssen bewältigt werden und es braucht passende neue Ansätze, diese Menschen aus ihrer sozialen Notlage zu befreien". Dafür müssten zum einen die Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern verbessert werden. Zum anderen brauche es Bedingungen, "die hierzulande kommunales Handeln ermöglichen und ein friedliches Miteinander von Zuwanderern und anderen Bevölkerungsgruppen der Stadtgesellschaft fördern".

Nordrhein-Westfalens Sozial- und Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) sagte vor einigen Tagen, er habe "vollstes Verständnis" für die Kommunen - und befeuerte damit die Debatte. Es gehe meist um Roma, die in ihrer Heimat diskriminiert würden, aber in Deutschland kaum eine Chance hätten, gute Arbeit zu finden. Weil diese Menschen vom kommenden Jahr an in vollem Umfang Anspruch auf Sozialleistungen hätten, sei für die Städte mit "unglaublichen Folgen" zu rechnen.

Ohne Arbeit, folgt die Abschiebung

Beispiel Ruhrgebiet: Städte wie Dortmund oder Duisburg gehen finanziell seit Jahren am Krückstock. Ganze Stadtviertel wie der Dortmunder Norden oder Duisburg-Hochfeld waren auch vor dem Zuzug aus Rumänien oder Bulgarien soziale Brennpunkte. Das Plus an oft bitterarmen, ungelernten Vätern mit ihren Familien verschärft die Situation. Bisher mussten die Zuwanderer nach drei Monaten eine selbstständige Arbeit nachweisen. Konnten sie das nicht, wurden sie in ihre Heimatländer abgeschoben.

Viele der sogenannten Armutsflüchtlinge - oft Roma - leben auf engstem Raum in heruntergekommenen Häusern. Die lebensunwürdigen Umstände lösen bei Nachbarschaft, Vermietern und Mietern Frust aus.
In Dortmund reagiert die städtische Wohngesellschaft und kauft reihenweise Häuser auf, renoviert sie und bietet sie für Studenten wieder an.

Härteres Vorgehen in Aussicht

Erstmals traf sich nun eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Armutswanderung aus Osteuropa" in Berlin. Die Dortmunder Sozialdezernentin Birgit Zoerner sagt: "Der Bund ist Hauptakteur auf der europäischen Bühne, und die Kommunen sind die Hauptbetroffenen europäischer Politik, ohne dass sie bislang vom Bund einbezogen worden waren. Dieses eklatante Missverhältnis soll jetzt verbindlich verändert werden."

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellt ein härteres Vorgehen in Aussicht. Ein Teil der Zuwanderer aus den beiden EU-Ländern komme nur deshalb nach Deutschland, um Sozialleistungen zu bekommen. "Das können wir nicht akzeptieren", sagt Friedrich. "Dann kann man die Ausreise dieser Personen verlangen."

Frankreich hat ähnliche Probleme mit den sogenannten Armutseinwanderern. Vor Jahren rüffelte die EU das Land heftig, weil Paris die Roma in die Heimat zurückschickte. Paris zahlt eine Prämie von jeweils ein paar hundert Euro pro Person für die freiwillige Rückkehr. Die EU beschloss 2011 einen Aktionsplan für Roma in ihren Heimatländern. Geändert an deren oft katastrophalen Lage hat sich aber meistens nichts.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort