Der Bilderstürmer der Architektur feiert seinen 75. Geburtstag Gehry lässt die Häuser tanzen

Düsseldorf (rpo). "Ich bin Architekt — aber Michelangelo hat auch Häuser gebaut", hat Frank Owen Gehry einmal ganz unbescheiden gesagt. Tatsächlich erinnern die Bauten des Amerikaners oft mehr an Skulpturen als an Architektur.

2004: Neuer Zollhof im Düsseldorfer Hafen.
10 Bilder

2004: Neuer Zollhof im Düsseldorfer Hafen.

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Foto: Stadt Düsseldorf

Am 28. Februar 1929 ist er in Toronto unter dem Namen Goldberg zur Welt gekommen.

Beim Eishockey hängt alles von Wendigkeit und Überraschungseffekten ab, ein perfektes Spiel für eine Persönlichkeit wie Frank Gehry. Vor 15 Jahren inspirierte ihn einer seiner Söhne zu dieser Sportart. Seit dem stürzt der ältere Herr sich in seiner Freizeit ohne Rücksicht auf Verluste auf das Eis, ebenso wie er es beruflich macht.

Seinen ersten Überraschungscoup landet Gehry 1978. Auf seiner Suche nach einer Architektur ohne Regeln baute er sein herkömmliches Einfamilienhaus in Santa Monica bei Los Angeles um. Die neue Form des Hauses ist eine Abrechnung von Frank und Berta Gehry mit ihrer Herkunft. Der Bauherr versuchte den Panzer jüdischer Männlichkeit zu durchbrechen. Seine aus Panama stammende Frau wollte das Korsett ihrer kolonialen Herkunft abstreifen.

Wie bei einer Psychoanalyse blieb kein Stein auf dem anderen, das Innerste wurde nach außen gekehrt. Mit Maschendraht, Wellblech, Holz und Rigips schufen die Gehrys einen Prototyp für den so genannten "Dekonstruktivismus", dem genauen Gegenteil von Architektur. Dieses Experiment aus zersplitterten Formen hebelt die Vorstellung vom Einfamilienhaus im Grünen aus den Angeln und vermittelt von außen den fast den Eindruck, als hätte es einen Sturm oder ein Erdbeben überstanden.

Vom Trümmerhaufen zum Tanzpaar

Doch Gehry bleibt nicht bei dieser zerstörerischen Haltung stehen. Bereits in den 80er Jahren wandelt sich seine Architektur vom 'Trümmerhaufen' zur zusammengefügten Plastik, die einen Raum umschließt. Mit Erfolg: 1989 erhält er den Pritzker Preis, dem Nobelpreis der Architekten. Er bekommt internationale Aufträge wie das Vitra-Museum in Weil am Rhein, das Guggenheim Museum in New York und nicht zuletzt den Neuen Zollhof in Düsseldorf.

Allerdings wären diese Vorboten einer anderen Architektur ohne den technischen Fortschritt vermutlich noch heute Kritzeleien auf Papier. Nicht nur, weil sich der Meister nicht um Statik schert, sondern auch, weil erst seit dem Einsatz von Computer-Zeichenprogrammen die Handwerker Gehrys wilde Entwürfe verstehen.

Umstritten ist Gehry bis heute. Kein Wunder, stellt er doch nach wie vor die klassische und die moderne Architektur in Frage, indem er ihre rechten Winkel, Säulen und Giebel parodiert. Sein Bauwerk "Ginger und Fred", mit dem er in Prag eine Baulücke aus dem Zweiten Weltkrieg füllte, bezeichnen Kritiker als zerdrückte Cola-Dose. Wegen der Namensgebung nach dem Tanzduo Ginger Rogers und Fred Astaire wurde er sogar beschuldigt die Opfer des Krieges zu verhöhnen. All das lässt den Enkel jüdischer Emigranten nicht kalt. Obwohl er Einzelkämpfer ist, strebt Gehry nach Anerkennung. Erst im Januar sagte er in einem Interview mit 'Globeandmail': "Ich möchte nicht dort bauen, wo man mich nicht haben möchte."

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