Vater von Germanwings-Opfer über das Leben nach dem Absturz "Es gibt Tage, da heulen wir den ganzen Tag"

Halle/Saale · Knapp zwei Monate sind vergangen seit dem Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525. Nun spricht der Vater eines der Opfer in einem Interview über die schwierige Zeit und darüber, wie er das Andenken an seine Tochter bewahren will.

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Germanwings-Trauerfeier im Kölner Dom

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Es war am 24. März dieses Jahres, als der Airbus A320 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen zerschellte. Der 27-jährige Co-Pilot Andreas L. hatte den Sinkflug mit Absicht eingeleitet, als der Pilot nicht im Cockpit war. Bei dem Absturz starben alle 150 Menschen an Bord, darunter 72 Deutsche. Eines der Opfer stammte aus Halle an der Saale, lebte und arbeitete in Leipzig. Ihr Vater hat nun im Interview mit der "Mitteldeutschen Zeitung" erzählt, wie er und seine Familie die Zeit nach dem Absturz erlebten.

Auf die Frage, wie es ihm und seiner Frau geht, sagt der Bauunternehmer: "Unterschiedlich. Es gibt Tage, da klappt es ganz gut. Und dann gibt es Tage, da heulen wir den ganzen Tag." Mit dem Tod des eigenen Kindes könne man nicht abschließen. Er sagt auch, dass die Familie jetzt Schritt für Schritt denke. "Etwas anderes geht gerade nicht." Und dennoch haben sie sich schon Gedanken gemacht, wie das Andenken an ihre Tochter, eine Schmuckkünstlerin, bewahrt werden kann.

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"Erst nach ihrem Tod haben wir gemerkt, welchen großen Wirkungskreis sie hatte", sagt der Mann in dem Interview. "Sie war eine Macherin, eine Künstlerin mit großen Potenzial." Nun will die Familie ein Stipendium für junge Schmuckkkünstler ins Leben rufen. Es solle ihnen helfen, nach dem Studium Fuß zu fassen. "Das ist für Künstler sehr schwer." Sie selbst wollten Geld dazu geben, "auch die Entschädigung, die wir möglicherweise bekommen werden".

Der Vater der Schmuckkünstlerin erklärt in dem Interview auch, warum er sich nun öffentlich zum Tod seiner Tochter äußert. "Es ging uns nie darum, etwas zu verschweigen. Die Leute haben ein gewisses Recht auf Information, zumal unsere Tochter als Künstlerin ja schon oft in der Öffentlichkeit gestanden hat", sagt er. Anfangs aber hätten er und seine Frau Angst gehabt, die Berichte nicht steuern zu können und dadurch verletzt zu werden. Aber: "Jetzt ist es in Ordnung."

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Während der Zeit nach dem Absturz hätten sie auch versucht, die Berichterstattung nicht an sich heranzulassen. Auch seien sie gut abgeschirmt worden, sodass sie die öffentliche Anteilnahme nicht in vollem Maße mitbekommen hätten. "Auch rund um die Trauerfeier im Kölner Dom wurden wir stark abgeschottet. Das hat uns sehr geholfen." Der Mann lobt in diesem Zusammenhang zudem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, weil sie den Angehörigen persönlich erklärt habe, warum und wie die Kameras und Journalisten anwesend sein würden. "Sie hat uns starke Anteilnahme und Rückhalt vermittelt", betont er.

Er selbst hatte an jenem 24. März vom Absturz des Flugzeuges gehört, aber es zunächst nicht mit seiner Tochter in Verbindung gebracht. Denn sie sei ja in Valencia und nicht in Barcelona gewesen. Dann aber habe seine Frau angerufen und gesagt, er solle nach Hause fahren. "Da wusste ich, dass etwas passiert war", sagt er und fügt hinzu: "Als ich zu Hause den Fernseher angemacht habe und die Flugroute gesehen habe, wusste ich, dass unsere Tochter tot ist." Der letzte Funke Hoffnung sei dann weg gewesen, als Lufthansa-Chef Carsten Spohr nach 24 Stunden persönlich gesagt habe, dass die Passagierliste bestätigt sei.

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"Unverständnis" empfindet der Mann aus Sachsen-Anhalt für den Co-Piloten, der die Maschine mit Absicht zum Absturz gebracht hatte. "Für uns ist das kein Selbstmörder im klassischen Sinne", sagt er. "Für uns ist er ein Mörder." Aber die Familie stelle sich nicht die Frage nach Schuld oder dem Warum. "Letztlich ist es Schicksal."

(das)
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