Lufthansa-Tochter Germanwings verweigert Schmerzensgeld für Crew

Düsseldorf/Frankfurt · Vor sechs Wochen kündigte die Fluglinie an, Schmerzensgelder für die Toten des Absturzes am 24. März zu zahlen. Jetzt kommt heraus: Die Angehörigen der Crew werden anders behandelt als die der Passagiere.

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Der Lufthansa und ihrem Kölner Ableger Germanwings droht nun auch eine Klage mehrerer Eltern derjenigen Mitarbeiter, die beim Germanwings-Absturz am 24. März zu Tode gekommen sind. Der Konzern verweigert diesen Eltern die 25.000 Euro an Schmerzensgeld, die die Familien der 144 getöteten Passagiere für jeden Toten erhalten sollen. Das Geld steht den getöteten Menschen zu, weil sie unmittelbar vor dem Absturz Todesangst durchleben mussten; der Anspruch ist vererbbar. "Die 25.000 Euro an Kompensation sind unserer Meinung nach sowieso für diesen Schmerz zu wenig", sagte der Mönchengladbacher Opferanwalt Christof Wellens, "aber wenn nun auch noch zwischen verschiedenen Totengruppen differenziert wird, fehlt mir jedes Verständnis."

Ähnlich sieht das Markus Wahl, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit: "Diese Unterscheidung zwischen Crew und Passagieren beim Schmerzensgeld finde ich etwas seltsam. Gerade die Crew hat doch kurz vor der Katastrophe am deutlichsten gewusst, wie ausweglos die Lage war." Wahl erinnerte an das Schicksal des Düsseldorfer Piloten, der laut Stimmenrekorder immer wieder gegen die Cockpit-Tür schlug, nachdem ihn Copilot Andreas Lubitz ausgesperrt hatte. "Mein Kollege muss verzweifelt gewesen sein", sagte Wahl.

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Anwalt Wellens vertritt laut eigener Aussage die Eltern einer Stewardess und zweier junger Stewards des Germanwings-Flugs 4U 9525. Wie die Lufthansa die Situation bewertet, bekam er im Brief eines Anwalts mitgeteilt: Der Konzern sehe sich aus juristischen Gründen nicht zuständig für eine Kompensation der Ansprüche der eigenen Mitarbeiter. Weil es sich um einen Arbeitsunfall handele, gebe es Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft. Das bringt aber den Angehörigen nichts: "Berufsgenossenschaften zahlen niemals Schmerzensgelder", erklärte Eberhard Ziegler, Referatsleiter bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, dem Spitzenverband aller gewerblichen Berufsgenossenschaften. "Wir kümmern uns um Hinterbliebenenrenten und ähnliche Ansprüche, aber nicht um solche Zahlungen."

Der Streit bestätigt, wie schwer es der Lufthansa fällt, eine einvernehmliche Lösung mit den Angehörigen der Opfer zu finden. So wird von Anwälten kritisiert, dass Eltern und Kinder der Getöteten zwar jeweils 10.000 Euro an Schmerzensgeld für ihr eigenes Leid erhalten, Geschwister aber leer ausgehen. Dieses Schmerzensgeld erhalten im Gegensatz zu den 25.000 Euro die Angehörigen der Getöteten.

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Ein Sprecher von Germanwings erläuterte, das Unternehmen habe eine Unfallversicherung für das fliegende Personal abgeschlossen - daraus werde jede Familie der Beschäftigten 50.000 Euro erhalten. Gemeinsam mit der Soforthilfe von 50.000 Euro, die vor Wochen an jede Familie gezahlt wurde, und den Schmerzensgeldern für die Angehörigen können so pro getötetem Mitarbeiter in den meisten Fällen mindestens 120.000 Euro Kompensation zusammenkommen.

Das ist für deutsche Verhältnisse als Ausgleich bei einem Todesfall viel, im Vergleich zu US-Zahlungen aber sehr wenig. Aus diesem Grund prüfen Anwalt Wellens und sein Berliner Kollege Elmar Giemulla Klagen gegen die Lufthansa in den Vereinigten Staaten - das ist allerdings ein juristisch äußerst schwieriger Weg.

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Noch wichtiger als die Schmerzensgeld-Zahlung ist aber, dass für Witwen, Witwer und Waisen gesorgt wird. Sie erhalten darum Renten, deren Höhe noch unklar ist. Die Lufthansa hat zudem einen Fonds von 7,8 Millionen Euro gestiftet, der sicherstellen soll, dass den Kindern der Getöteten Ausbildung und Studium finanziert werden.

Auf Anfrage erklärte Germanwings, dass der Fonds sich auch um Waisen der Mitarbeiter kümmern könne. Dies würde speziell den zwei kleinen Kindern des gestorbenen Düsseldorfer Piloten helfen. Die Berufsgenossenschaft wird zwar für eine relativ hohe Witwen- und Waisenrente der Familie aufkommen. Aber falls das nicht reiche, könne der Fonds einspringen, so Germanwings. Man suche mit allen Familien nach Lösungen.

(RP)
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