Germanwings-Katastrophe Angehörige hörten Tonband von Absturz

Paris/Düsseldorf · In einem Flug-Simulator wurde der Germanwings-Absturz genau nachgestellt. Anwälte begrüßen neue Ermittlungen.

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Germanwings-Opfer kommen heim

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Foto: ap

Die Marseiller Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Absturzes und deren Anwälte viel genauer über die Katastrophe informiert als bisher bekannt. Nach Absprache mit den Angehörigen sahen sie in Paris eine Simulation des Absturzes, so als ob sie selbst im Cockpit gesessen hätten, als die Maschine gegen eine Felswand flog. Parallel hörten sie die aufgefundene Ton-Aufnahme aus dem Cockpit ("Voice-Recorder") des abgestürzten Jets.

Vor der schockierenden Vorführung konnte jeder, der wollte, den Raum zeitweise verlassen. Ungefähr jeder Vierte der rund 200 Anwesenden ging. "Wir konnten hören, wie an die Tür des Cockpits laut geschlagen wurde, als der von Lubitz ausgesperrte Kapitän wieder Einlass begehrte", berichtet der Mönchengladbacher Anwalt Christof Wellens, "aber auch dieser Eindruck von dem Ende des Fluges gehörte zur gewollten absoluten Transparenz für die Angehörigen."

In diesem Sinne begrüßen Anwälte der Opferfamilien auch, dass die französische Justiz weitere strafrechtliche Ermittlungen wegen des Absturzes angekündigt hat. "Dies war eine der größten Katastrophen in Europa in den vergangenen Jahren", sagte Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP). "Die Justiz muss also der Sache weiter auf den Grund gehen." Wellens ergänzt: "Nach diesem Ereignis kann niemand zur Tagesordnung zurückkehren. Es muss geprüft werden, ob und wer fahrlässig handelte, als der Copilot trotz großer Schwierigkeiten immer weiter flog." Konkret sollen drei neue französische Ermittler in Richtung Germanwings und Lufthansa prüfen, ob vonseiten der Unternehmen Fehler begangen wurden. Es ist aber unklar, ob es Anklagen geben wird.

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Die Unglücksstelle am Tag nach dem Absturz

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Foto: dpa, sh

Andreas Lubitz war zwar in der Woche des Absturzes krankgeschrieben. Er hätte also nicht fliegen dürfen, bemerkte der französische Staatsanwalt Brice Robin vor den Angehörigen. Strafrechtlich lässt sich dafür aber keiner zur Rechenschaft ziehen: Der Copilot hatte das Attest und weitere Krankschreibungen vor seinem Arbeitgeber verheimlicht - dafür kann Lufthansa nichts. Den Ärzten scheint Lubitz wiederum verheimlicht zu haben, dass er trotz Krankschreibung weiter flog - sie sind also erst recht unschuldig. "Es gibt da keine Kausalität von Unglück und dem Handeln anderer Personen", sagt der Berliner Opferanwalt Elmar Giemulla, "also ist das strafrechtlich schwer zu greifen."

Spannender wird es bei der Frage, ob sich einer der Therapeuten strafbar machte, die Lubitz konsultiert hatte. "Es haben viele Besuche bei Fachärzten für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie mit entsprechenden Krankschreibungen stattgefunden, ohne dass dabei Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden ist", erklärt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Damit ist unwahrscheinlich, dass ein Arzt angeklagt wird, weil er unterließ, eine Selbst- oder Fremdgefährdung zu melden.

Zum Problem könnte für Lufthansa aber werden, dass in Frankreich nicht nur Personen strafrechtlich angeklagt werden können, sondern auch Firmen. Und dabei gibt es einen Anhaltspunkt eines möglichen Organisationsversagens: Lubitz hatte seine Ausbildung als Pilot sechs Monate unterbrochen, weil er Depressionen mit Selbstmordabsichten hatte. In seine Pilotenlizenz wurde in der Folge der Hinweis SIC eingetragen, der für "besondere regelhafte medizinische Untersuchungen" steht und auf eine chronische Erkrankung hindeutet.

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Germanwings-Absturz - Ermittler zeigen Fotos der zweiten Blackbox

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Foto: dpa

In Lubitz' Tauglichkeitszeugnis tauchte der Vermerk allerdings nicht auf. So blieb also unbekannt, dass er zumindest früher eine labile Persönlichkeit hatte und darum besonders hätte beobachtet werden müssen. Knapp fünf Jahre lang arbeitete Lubitz ohne Beanstandungen, dann kam die Katastrophe. "Nach dieser Vorgeschichte hätte man genauer hinschauen müssen", sagt Anwalt Wellens.

(RP)
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