Bei Unklarheit bei Neugeborenen Geschlecht bleibt künftig im Zweifelsfall offen

Berlin · Wenn sich das Geschlecht eines Neugeborenen nicht eindeutig bestimmten lässt, muss der Standesbeamte dieses im amtlichen Geburtenregister künftig offen lassen. Das sieht eine Änderung des Personenstandsgesetzes vor, die zum 1. November in Kraft tritt. Die Neuregelung bezieht sich auf Fälle sogenannter Intersexualität.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums soll mit der Änderung der Druck von den Eltern genommen werden, sich unmittelbar nach der Geburt auf ein Geschlecht festzulegen, ohne die weitere Entwicklung des Kindes abwarten zu können. Die Folge könnten geschlechtsangleichende Operationen sein, unter denen Betroffene später massiv leiden. Die Neuregelung geht auf Anregungen des Deutschen Ethikrats zurück, der Regierung und Parlament in komplizierten ethischen Fragen berät.

Die Möglichkeit, das Geschlecht eines Kindes als "ungeklärt" im Register vermerken zu lassen, bestand dem Ministerium zufolge auch bisher schon. In der Praxis sei diese Option aber nur selten angewandt worden, weil Eltern und Ärzte sich in der Regel auf eine Zuordnung geeinigt hätten. Nun aber ist die Offenlassung obligatorisch, wenn sich das Geschlecht nicht zweifelsfrei klären lässt. Es wird dann in der entsprechende Zeile gar nichts vermerkt. Die Betroffenen können dann später jederzeit über ihr Geschlecht entscheiden.

Experten schätzen, dass es im Schnitt bei etwa 1500 bis 2000 Geburten zu einem Fall von Intersexualität kommt. Vertreter von Betroffenen schätzen die Zahl höher ein und verweisen unter anderem auf die großen Probleme, das Phänomen physisch wie hormonell klar zu fassen. Intersexuellen-Gruppen fordern seit längerem entschiedenere Maßnahmen, um Betroffene gegen Diskriminierung zu schützen und ihren Status rechtlich wie gesellschaftlich abzusichern.

In mehreren außereuropäischen Ländern wird Intersexualität inzwischen rechtlich als eine eigenständige Kategorie neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht anerkannt. Dazu zählt unter anderem auch Australien. Mit der Neuregelung in Deutschland wird dagegen kein drittes Geschlecht geschaffen, wie das Innenministerium betont. Eine derartige Kategorie lasse sich in das deutsche Rechtsystem aus prinzipiellen Gründen nicht einfügen.

(AFP)
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