Vor 25 Jahren begann das Geiseldrama Gladbeck ist bis heute allgegenwärtig

Zwei tote Geiseln, ein toter Polizist. Heute vor 25 Jahren begann das Gladbecker Geiseldrama mit einem Banküberfall. Die brutalen Täter sitzen noch immer im Gefängnis. Ihre Verbrechen haben Spuren hinterlassen - bis heute.

Die Geiselnahme von Gladbeck
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Das Geiseldrama von Gladbeck

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Auch 25 Jahre nach dem Beginn des Gladbecker Geiseldramas sind die Erinnerungen von Zeitzeugen lebendig. "Es ist allgegenwärtig", sagte der ehemalige Polizist Winrich Granitzka am Freitag im Sender WDR 5. Als Vize-Chef des Kölner Einsatzstabs war er bei dem blutigen Ende der Geiselnahme dabei, die am 16. August 1988 mit einem missglückten Banküberfall im Ruhrgebiet begonnen hatte. Die spektakuläre Flucht zweier Gangster vor der Polizei hielt im August 1988 drei Tage lang das Land in Atem.

Die Geschehnisse hätten die Verantwortlichen bei der Polizei lange beschäftigt und eine Neuorganisation von Spezialeinheiten im Falle von Geiselnahmen zur Folge gehabt, sagte Granitzka dem WDR. Er empfinde den Polizeieinsatz, der die Geiselnahme beendete, als Niederlage, auch wenn sie damals keine andere Chance gehabt hätten:
"Wir hätten diesen Schuss auf Silke Bischoff durch den Täter, der ja neben ihr saß, definitiv nicht verhindern können." Die 18-Jährige wurde tödlich getroffen.

Heute undenkbar

Von Gladbeck aus waren Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner durch mehrere Bundesländer und kurzzeitig sogar durch die Niederlande geflohen. In Bremen hatten sie einen Linienbus entführt und bereits eine junge Geisel erschossen. Bei der Verfolgungsjagd kam auch ein Polizist ums Leben.

Aus heutiger Polizeisicht ist ein solches Geiseldrama undenkbar. Die Sicherheitsbehörden würden viel früher eingreifen und es nicht zulassen, dass Geiselnehmer Fernseh-Interviews geben. Die Polizisten lernen heute in ihrer Ausbildung aus den Fehlern, die die damaligen Gesetzeshüter begangenen haben — wie etwa, den Geiselnehmern nie die Initiative überlassen zu dürfen.

Versagen auf zahlreichen Ebenen

Aber nicht nur die Polizei versagte. Besonders fatal war die Rolle der Medien. Reporter übernahmen die Polizeiarbeit, führten zum Teil sogar die Verhandlungen mit den Gangstern, weil die Beamten nicht eingriffen und nur zuschauten. In Bremen stiegen die Journalisten zu den 32 Geiseln in den gekaperten Bus und fotografierten sie aus nächster Nähe, während Rösner und Degowski ihnen Pistolen an den Hals hielten.

Einige Medienvertreter ließen sich vor laufenden Kameras von Rösner Feuer für Zigaretten geben, andere besorgten den Gangstern Kaffee und stellten ihnen ihre Autotelefone zur Verfügung. Im Kampf um die besten Bilder jagten die Journalisten wie berauscht hinter den Geiselgangstern her quer durch die Republik — und nahmen dabei auch in Kauf, dass sie die Polizeiarbeit massiv behinderten, indem sie Streifenwagen von der Straße abdrängten oder ausbremsten.

Ein Reporter stieg mit in den Wagen

In Köln stieg ein Reporter sogar in den Wagen der Geiselgangster und lotste sie aus der Innenstadt auf die Autobahn. Hinterher rechtfertigte er sein Verhalten, indem er angab, dass er ein Blutbad vermeiden wollte.

Die beiden Täter wurden 1991 unter anderem wegen Geiselnahme mit Todesfolge und Mordes sowie versuchten Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Reue zeigen sie bis heute nicht. Rösner sitzt derzeit in der JVA Aachen. Anders als sein Komplize lehnt er jede Therapie ab — und hat deswegen keine Chance auf Freiheit. Degowski verbüßt seine Strafe in der JVA Werl. "Sollte er die Sozial-Therapie bestehen, kann er auf bewachten Freigang hoffen", sagt ein Sprecher des Justizministeriums.

Ehemalige Geiseln warnen davor. Ines Voitle, Freundin der erschossenen Silke Bischoff, fürchtet, Degowski könnte sich an ihr rächen, wenn er auf freien Fuß gelassen werden sollte.

(dpa)
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