Serie "Glaube und Gewalt" Glaube und Humor - mächtige Verbündete

Düsseldorf · Wer beides hat, kommt besser in einer Welt zurecht, die nicht perfekt erschaffen wurde.

 Ein Priester mit der Faust in der Tasche und dem Schalk im Nacken - der italienische Schauspieler Fernandel in seiner Paraderolle als schlagkräftiger Pfarrer Don Camillo.

Ein Priester mit der Faust in der Tasche und dem Schalk im Nacken - der italienische Schauspieler Fernandel in seiner Paraderolle als schlagkräftiger Pfarrer Don Camillo.

Foto: Youtube

Menschen werden geboren und sterben. Eine ihrer wesentlichen Erfahrungen lautet: Nichts bleibt, wie es ist. Eine weitere: Alles scheint sich zu wiederholen. Vor allem die Fehler, die Dummheiten, der Wahnsinn. Was sie in einem langen Leben gelernt haben, nehmen die Leute mit ins Grab. Ihre Nachkommen? Fangen von vorn an. Vergänglichkeit und Vergeblichkeit allenthalben. Erwachsen werden heißt zu akzeptieren, dass man allein ist auf dieser Welt. Wie soll man das ertragen? Erstens, indem man die Suche nach dem Sinn unverdrossen weiter betreibt. Zweitens: aber nicht zu ernst.

Es sind vor allem zwei Dinge, die helfen, alle Unzulänglichkeiten des Daseins erträglicher zu machen: Glaube und Humor. Zwei zweifellos mächtige Verbündete, wenn es darum geht, nicht unterzugehen. Manchmal sind sie Rettung in höchster Not. Glaube und Humor verdanken ihre Existenz einer Welt, die nicht perfekt erschaffen wurde. In der man kämpfen muss, und in der man scheitert. Spielte sich das Leben in völliger Harmonie ab, müsste uns kein Lachen befreien. Wir bedurften keines Trostes. Nicht der Hoffnung auf Gerechtigkeit, auf Vergebung, auf Erlösung. In einer Welt, in der es alles gäbe, was das Herz begehrt, herrschte nur ein Mangel: an Sehnsucht, an Visionen.

So gesehen erscheinen Glaube und Humor aufs Engste verwandt. Als "Milchbruder des Glaubens" hat Martin Buber denn auch den Humor bezeichnet. Welch segensreiche Verbindung beide eingehen können, beschrieb der jüdische Religionsphilosoph mit den Worten: "Wenn ein Mensch nur Glauben hat, steht er in Gefahr, bigott zu werden. Hat er nur Humor, läuft er Gefahr, zynisch zu werden. Besitzt er aber Glaube und Humor, dann findet er das richtige Gleichgewicht, mit dem er das Leben bestehen kann."

Das freilich ist eine moderne Erkenntnis. Im Christentum, welches das Leiden, den Schmerz des Gekreuzigten, in den Mittelpunkt des Glaubens stellt, war Lachen lange Zeit verpönt. Man überließ es den Heiden. Die hatten den sprichwörtlichen Heidenspaß. Nicht zuletzt bei der Vorstellung, der Sohn eines Gottes käme in einem erbärmlichen Stall zur Welt und müsste in einer Krippe liegen. Das fanden tatsächlich nicht wenige zum Totlachen. Bis in die Neuzeit betrachteten Christen das Lachen mit Zurückhaltung. Aus verschiedenen Gründen. Zum einen galt Lachen als unbeherrschte Gefühlsäußerung, als laut, grob und tumb. Gejohlt und gelacht wurde beim Saufen, beim Spiel und allerlei sonstigen sündigen Vergnügungen. Gejohlt und gelacht wurde nicht zuletzt auch, wenn für Verurteilte das letzte Stündlein schlug und sie zur Richtstätte gekarrt wurden, wo sie enthauptet, gehängt oder verbrannt wurden (letzteres nicht selten im Namen der christlichen Kirche). Ein Spektakel, das sich die Leute nicht entgehen lassen wollten.

Dagegen wollten Vertreter der Kirche durch die Abkehr vom Weltlichen, durch Askese und durch Ernsthaftigkeit Zeichen setzen (auch wenn es genügend Würdenträge unter ihnen gab, die es fern des Volkes dennoch ordentlich krachen ließen). Diesen Frömmlern, radikalen Eiferern, den Besserwissern im Glauben hat es seit jeher am meisten Spaß gemacht, als Spaßbremsen aufzutreten. Gelacht wurde natürlich trotzdem. Im Karneval zum Beispiel. Diesen Freiraum, um einmal richtig über die Stränge zu schlagen, beließ die Kirche klugerweise ihren Schäfchen. Aber selbst an Orten gläubiger Entsagung wurde gern gelacht: in den Klöstern. Was auch an dem hervorragenden Bier gelegen haben mag, das dort als gottgefälliges Werk gebraut wurde.

Wieder ist es Martin Luther, der eine erfrischend andere Sicht auf die Dinge hat: "Wo Glaube ist, da ist auch Lachen", sprach der große Reformer in einer seiner vielen Tischreden. Mit Luther, der allein im Teufel den Geist der Traurigkeit sah, kehrt eine freundliche Menschlichkeit in das kalt gewordene Gebäude der kirchlichen Lehre zurück, einer Kirche, die mit Verdammnis und Fegefeuer all jenen droht, die sich nicht ihren Vorstellungen gemäß verhalten. Das hinderte Reformierte wie Calvinisten oder Puritaner freilich nicht daran, sich anschließend wieder ziemlich spaßfrei in der Welt einzurichten.

Bei kaum einem anderen Volk liegen Glaube und Humor so nahe beieinander wie beim jüdischen. Kein anderes Volk hat zugleich so viel Bitterkeit, Verfolgung und Leid erfahren. "Der Witz ist die letzte Waffe des Wehrlosen", erkannte Sigmund Freud, der selbst jüdischer Abstammung war. Entsprechend ausgeprägt ist die Kultur des Witzes, mit dem die Juden sich und ihre Eigenarten auf den Arm nehmen in vielen schnurrigen Geschichten aus dem "Schtedl", dem jüdischen Ghetto in Deutschland und Osteuropa. "Gott lacht mit seinen Geschöpfen, nicht über seine Geschöpfe", steht im Talmud. Vielleicht schmunzelt er sogar über folgenden Witz: Ein alter Rabbiner, der im Sterben liegt, trägt seiner Frau auf, den Priester zu holen, er wolle getauft werden. "Bist du meschugge?", fragt die Frau, "dein ganzes Leben hast du für Gott gearbeitet, jetzt möchtest du Christ werden?" Daraufhin sagt der alte Rabbiner: "Lieber einer von ihnen stirbt als einer von uns." Auch aus dem Koran geht hervor, dass Allah das Weinen und das Lachen erschaffen habe. Über den Propheten Mohammed heißt es, er habe Witze erzählt und so gelacht, dass man seine Weisheitszähne blitzten sah. Über Nasreddin Hoça, eine Art "türkischer Eulenspiegel" mit scharfem Witz, kursieren bis heute viele Geschichten unter Muslimen, auch wenn Hoça im 13. Jahrhundert lebte und hernach kein ebenbürtiger Nachfolger mehr auftrat, der es in die Geschichtsbücher geschafft hätte. Mögen auch viele Muslime in den arabischen Ländern mit Witzen Widerstand gegen staatliche Repressionen leisten, wer sich über Glaube und Religion lustig macht, erfährt schnell, das hier der Spaß aufhört. Wo keine Meinungsfreiheit und keine Freiheit der Kunst herrschen, sind auch dem Humor enge Grenzen gesetzt.

Hierzulande müssen dem Islamwissenschaftler Erdal Toprakyran zufolge Muslime erst noch lernen, selbst mit harmlosen Karikaturen umzugehen. "In einer Gesellschaft, die stark von Bildern und Filmen bestimmt ist, können wir nicht erwarten, dass man sich von allen Karikaturen und Satiremagazinen verabschiedet", meint der Direktor des Zentrums für Islamische Theologie in Tübingen. Zur Meinungs- und Kunstfreiheit im Westen gehöre auch die Freiheit, den islamischen Propheten negativ darzustellen.

Im Koran, so Toprakyran, gebe es nirgendwo den Aufruf, Menschen zu töten, die sich über den Propheten oder Muslime mokieren. Stattdessen sei zu lesen: "Oh Mohammed, wenn sich die Leute über dich lustig machen, dann stehe auf und gehe fort, bis die Leute damit aufhören." Vom Propheten sind allerdings auch folgende Worte überliefert: "Wehe demjenigen, der lügt, nur um andere zum Lachen zu bringen. Wehe ihm und nochmal Wehe ihm."

Überall auf der Welt lachen die Menschen - aber nicht über dieselben Dinge. Das war immer so, und das wird so bleiben. Vor allem, was religiöse Anschauungen angeht. Doch so unterschiedlich sie sein mögen - eines trifft auf alle Fälle zu: Der Humor bewahrt jeden Glauben davor, fanatisch zu werden.

Serie Im letzten Artikel wird es um die Frage gehen: "Droht uns eine Islamisierung?"

(RP)
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