ARD-Sendung Studiogast erzwingt bei Günther Jauch Schweigeminute

Berlin · Günther Jauch wollte nicht. Doch ein entschlossener Studiogast nahm ihm das Zepter aus der Hand und setzte im Jauch-Talk eine spontane Schweigeminute für die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge durch. Ein denkwürdiger TV-Moment. Hier die komplette Mitschrift des Vorfalls.

ARD: Harald Höppner setzt sich gegen Günther Jauch durch
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Studiogast Harald Höppner setzt sich gegen Günther Jauch durch

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Auslöser war der von Jauch eingeladene Brandenburger Harald Höppner, der dort seine private Initiative "Sea Watch" vorstellen sollte. Höppner hat sich dafür aus eigener, privater Initiative ein Boot gekauft und will damit ins Mittelmeer reisen, um Flüchtlinge zu retten.

Als Jauch sich zu ihm setzte, um ihn zu befragen, stand Höppner auf und forderte dazu auf, hier an dieser Stelle eine spontane Gedenkminute für die Toten einzulegen. Dazu eroberte er das Podium, auf dem die anderen Gäste platziert waren, darunter Ex-Minister Hans-Peter Friedrich und die Journalisten Heribert Prantl und Roger Köppel.

Jauch reagierte zunächst überrascht und versuchte, die Aktion zu stoppen. "Ich würde trotzdem gerne, bei allem Gedenken...", versuchte er seinen Gast zu unterbrechen.

"Man sollte in Deutschland eine Minute Zeit haben, um diesen Menschen zu gedenken", erwiderte Höppner. Jauch gab sich geschlagen. Die Runde erhob sich von den Plätzen und schwieg. Eine symbolische Geste, die gerade in einer Talkshow eine umso größere Wirkung erzielte.

Auch im Anschluss an die Schweigeminute erwies sich Höppner als unbequemer Gesprächspartner. Auf weitere Fragen zu seiner Aktion ließ er sich nicht ein. Der Studiogast wollte weder erklären, warum er beim Jubiläum des Mauerfalls auf die Idee gekommen war, noch was er im Konkreten vorhat. "Es ist jetzt nicht die Zeit zum Diskutieren", stellte er mehrfach klar.

Hier das Hin und Her des Vorfalls in O-Tönen.

Jauch setzt sich zu Höppner in die erste Reihe. Zuvor hat ein kleiner Einspieler des Projekt des Seawatch-Aktivisten erklärt. Höppner trägt einen Pullover mit dem Aufdruck "Seawatch", dazu Jeans, grobe Schuhe.

Jauch: "Ausgerechnet das Mauerfall-Jubiläum soll Sie auf die Idee gebracht haben. Das müssen Sie uns erklären."

Höppner: "Es gab schon mal Flüchtlinge zu DDR-Zeiten. Und ich möchte wirklich jetzt auch mal die Chance ergreifen, diesen Menschen ein Gedenken zu schenken, indem ich Sie bitte, eine Gedenkminute dafür einzulegen."

Höppner steht auf und geht aufs Podium zu den anderen Gästen.

Höppner: "Bitte stehen Sie auf dafür!"

Jauch sitzt konsterniert in der ersten Reihe, kommt erst mit Verzögerung hinterher. Alle haben sich erhoben, sowohl Gäste als auch Publikum.

Höppner: "Wir möchten dieser 1000 Toten, die die letzte Woche an unserer europäischen Außengrenze, an unserer deutschen Grenze gestorben sind, gedenken."

Jauch interveniert: "Herr Höppner, ich würde trotzdem gerne bei allem Gedenken..."

Höppner insistiert: "Herr Jauch, Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um diesen Menschen zu gedenken."

Kurze Pause

Höppner: "Jetzt bitte."

Tatsächlich herrscht nun Stille.

Leise raunt Jauch: "Herr Höppner, Sie müssen nicht auf die Uhr schauen."

Anschließend bemüht sich der Moderator, zurück aufs eigentlich vorgesehene Gleis zu kommen und mit Höppner ein Gespräch über sein Projekt zu führen.

Jauch: "Herr Höppner ich würde Sie trotzdem gerne fragen, was hat das mit dem Mauerfall zu tun?"

Höppner (aufgebracht): "Herr Jauch, ich glaube, das ist nicht die Frage, was das mit dem Mauerfall zu tun hat. Dieses Drama, das sich im Mittelmeer abgespielt hat, das uns jeden Tag im Fernsehen vorgeführt wird, das ist unerträglich. Wir haben versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Wir haben gesagt, man kann was machen.

Jauch bemüht sich, dazwischen zu kommen: "Erklären Sie uns doch, ja, Erklären Sie uns doch...

Höppner ist nicht zu stoppen: "Man kann nicht nur sagen, man muss Willkommenslager schaffen, man kann nicht nur sagen, man muss die Bedingungen in den Herkunftsländern verbessern, das kann man alles machen, doch in der Zeit, bis wir das gemacht haben, muss man dafür sorgen, dass diese Menschen nicht sterben."

Jauch kann eine Frage formulieren: "Erklären Sie uns jetzt, wie Sie das mit diesem Schiff jetzt machen, ist dieses Schiff tatsächlich hochseetüchtig?"

Höppner: "Natürlich ist es das, aber das ist jetzt nicht die Frage."

Jauch: "Doch, man …"

Höppner redet einfach weiter: "Dieses Schiff ist zur Zeit unterwegs nach Helgoland, wir haben heute unsere Abfahrt gehabt. Es wird nach Helgoland einmal rund um Europa fahren, bis es dann in Malta angelangt ist. Dort in Malta werden wir dann in dieses Seegebiet fahren.

Jauch will etwas sagen, es geht wild durcheinander.

Jauch: "Erklären Sie uns doch. Sie fahren jetzt da und sehen zum Beispiel da ein Schiff, dann gehen Sie, fahren Sie an dieses Schiff heran und wollen dann was tun?"

Höppner: "Wir wollen die Menschen retten, wir wollen Wege zeigen, was man machen kann. Und wir wollen es nicht diskutieren. Es gibt zu diesen aktuellen Ereignissen nichts zu diskutieren."

Jauch wird das zu brenzlig: "Doch. Doch, die Leute wollen wissen, was Sie machen!"

Es geht wieder durcheinander. Sätze fliegen durch den Raum.

Einer davon von Höppner: "Wir werden die Menschen in den Fokus bringen."

Es ist dann Jauch, der erklärt, was Höppner wohl vorschwebt, dessen Projekt "Wir fahren einfach los" zwar sehr ehrenwert, aber auch ein wenig blauäugig klingt. Dass er die Menschen mit Rettungswesten versorgen will, mit Wasser und Lebensmitteln. Und Hilfe holen will.

Jauch: "Richtig?"

Höppner bejaht, ereifert sich aber über die Untätigkeit Europas. Bei einem Jugendlichen, der mit dem Surfbrett in die Kieler Bucht paddle, werde für eine Seenotrettung eine ganze Kavallerie in Gang gesetzt. Anders im Mittelmeer.

Höppner: "Wenn dort 700 Menschen sterben, passiert gar nichts, es wird diskutiert es wird debattiert und wir wollen etwas machen!"

Jauch bemüht sich den Abend zu einem Ende zu bringen.

Jauch: "Wir haben gemerkt, das ist hoch emotional."

Höppner: "Es sind 1000 Menschen gestorben. Ich finde es wirklich nicht passend hier eine Diskussion auf politischer Eben zu führen statt wirklich mal auf menschlicher."

Jauch: "Da widerspreche ich jetzt mal, natürlich muss man das politisch diskutieren und natürlich wollten wir Ihnen da den Raum geben", sagt Jauch und kann seinen Gast damit zurück auf seinen Platz komplimentieren.

"Damit sind wir am Ende einer wirklich nicht ganz gewöhnlichen Sendung", beschließt der Moderator den Abend. Man muss ihm recht geben.

"Herr Höppner hat eindrücklich gezeigt, wie sehr ihn das Thema mitnimmt", sagte Simone Bartsch von der Produktionsfirma i&u der Deutschen Presse-Agentur im Anschluss an die Sendung.

(pst)
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