Katastrophe bei der Loveparade Gutachten kritisiert den Polizeieinsatz

Duisburg · Für den Tod von 21 Besuchern der Loveparade sollen vor allem die Metall-Zäune verantwortlich gewesen sein, die die Polizei für ihre Fahrzeuge auf der Rampe zum Veranstaltungsgelände aufstellen ließ. Das geht nach Informationen unserer Redaktion aus dem Gutachten des britischen Panik-Forschers Keith Still zur Schuldfrage bei der Loveparade-Katastrophe hervor.

Loveparade - 100 Tage nach der Katastrophe
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Für das technische Gutachten, das 20 Seiten und diverse Anlagen umfassen soll, wertete Still vor allem Videos der Katastrophe vom 24. Juli 2010 aus. Laut Still trugen vor allem die Zäune auf der Rampe zum Entstehen der tödlichen Panik bei. Das Gutachten des Crowd-Forschers (englisch für Masse), der an der Universität in Buckinghamshire lehrt und als international angesehener Experte gilt, belastet nach Informationen unserer Zeitung zwar vor allem die Polizei, jedoch auch Veranstalter Rainer Schaller und die Stadt Duisburg.

Das Gutachten soll laut Stempelvermerk am 9. Dezember 2011 erstellt worden sein, am 11. Januar 2012 soll Still zu seinem Gutachten eine eidesstattliche Erklärung abgegeben haben. Bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft Duisburg, die das Papier in Auftrag gegeben hatte, soll es am 6. Februar eingegangen sein. Wie die Staatsanwaltschaft Duisburg bestätigte, ist es in der vergangenen Woche zur Akteneinsicht auf CD an die 17 Beschuldigten oder ihre Anwälte versandt worden.

Für seine gutachterliche Untersuchung, die lediglich die technischen Ursachen, nicht aber die juristische Schuldfrage behandelt, analysierte Still die Größe des Eingangsbereichs. Daraus ergibt sich, wie viele Menschen pro Stunde gefahrlos hätten über die Rampe auf das Festivalgelände gelangen können. Ohne die Polizei-Zäune wären es laut seiner Rechnung rund 89.000 Besucher gewesen.

Durch die Zäune sei die Zahl auf etwa 52 000 verringert worden. Die Gitter-Zäune sollen den Bereich des Durchgangs von 26 auf nur noch 10,60 Meter verengt haben. Stills Gutachten soll aber auch festhalten, dass die Panik möglicherweise hätte verhindert werden können. Eine Massenpanik entwickele sich über einen gewissen Zeitraum, sie steige langsam an, sei absehbar, so Still.

Seine Schlussfolgerung: Wäre der Zufluss rechtzeitig gestoppt worden, hätte es Lautsprecherdurchsagen und ausreichend Ordner gegeben, wäre die Katastrophe noch zu vermeiden gewesen. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hatte die Stadt als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde vor Beginn der Veranstaltung nicht kontrolliert, ob die Rampe freigeräumt worden war. Dies geht aus dem geheimen Zwischenbericht vom Januar 2011 hervor, der unserer Zeitung vorliegt.

(RP/csi)
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