Bluttat in Hamburg Todesschuss auf Einbrecher schockiert Nachbarn

Hamburg · Die Stimmung in der Nachbarschaft ist gespannt. "Es muss ein Schock sein. Die Angst sitzt wirklich tief", sagt Friedel Schultze am Morgen nach dem tödlichen Schuss auf einen jungen Mann in Hamburg-Jenfeld. Als die 79-Jährige in der Nacht zum Mittwoch die Polizeiwagen hörte, ging sie im Morgenmantel vor die Tür, um zu sehen, was los ist. "Das kam mir vor wie Wildwest", beschreibt die ehemalige Telefonistin ihren Eindruck. Von den übrigen Nachbarn habe sich niemand auf die Straße getraut.

 Ermittler am Tatort in Hamburg.

Ermittler am Tatort in Hamburg.

Foto: dpa, dbo kno

Die Polizei habe die vielbefahrene Jenfelder Allee komplett abgesperrt. Ein Notarzt versuchte vergeblich, das Leben des 25-Jährigen zu retten. Der junge Mann und ein Komplize sollen am späten Dienstagabend zweimal an der Tür von Schultzes Nachbarn geklingelt haben. Das erste Mal unter einem Vorwand, das zweite Mal, um gleich nach dem Öffnen gewaltsam in das Haus einzudringen. Der 63 Jahre alte Hausbesitzer griff zur Waffe und gab nach Angaben der Polizei einen Schuss ab.

"Ich muss sagen, dass ich teilweise Verständnis habe, obwohl es mir auch leidtut um den jungen Mann", sagt Schultze. Erst vor etwa einem halben Jahr sei bei ihm eingebrochen worden, berichten sie und ihr Mann Wolfgang (78). Viel Geld sei ihm gestohlen worden. Der 63-Jährige lebe zusammen mit seinem hochbetagten und pflegebedürftigen Vater in dem hell verklinkerten Haus.

Rollladen ist heruntergelassen

Am Morgen nach dem Zwischenfall ist nur noch wenig von dem nächtlichen Geschehen zu erkennen. An der Haustür ist eine Scheibe eingedrückt. Ein Rollladen ist heruntergelassen. Eine Mitarbeiterin eines Pflegedienstes verlässt das Haus und steigt auf ihr Fahrrad. Sie will sich nicht äußern. Wenige Meter die Straße hinunter flattern noch Reste von Polizeiabsperrband im Wind.

Direkt neben dem Ort des Überfalls steht ein modernes und gepflegtes Doppelhaus. Dort wohnt Leyla (18) mit ihrer jüngeren Schwester und den Eltern. Auch sie hat den Schuss nicht gehört. In der Nacht habe sie fest geschlafen, sagt die Schülerin. Erst am Morgen habe ihre Mutter es ihr erzählt. "Es war ein Schock", sagt sie. Die Familie wohne seit über fünf Jahren hier. Angst hatte sie nie, "auch nicht, wenn ich nachts von einer Party kam".

"Hier wache ich!"

Zur Linken des überfallenen Hauses steht ein Neubau mit einem vietnamesischen Café. Am Zaun der Hinweis auf einen Hund: "Hier wache ich!" Friedel Schultze erzählt von einem weiteren Nachbarn, bei dem kürzlich über das Dach Einbrecher eingestiegen seien. Jetzt hat der Besitzer sein Haus mit einer elektrischen Alarmanlage gesichert.

Auf der anderen Straßenseite liegen ein Sportplatz und eine riesige Freifläche. Auf dem ehemaligen Kasernengelände sollen Häuser für Familien gebaut werden, sagt Wolfgang Schultze. Angesichts der Randlage vertrauen er und seine Frau auf ihre beiden Hunde, einen Labrador und einen Huskie-Mix. An ihrer Pforte hätten Unbekannte vor längerer Zeit ein Zeichen eingeritzt, das vor einem bissigen Hund warne. Das lässt das Rentnerpaar gerne stehen. Am Schuppen steht aber noch einmal ausdrücklich: "Achtung! Scharfer Hund".

Einbrecher schlagen in Hamburg immer häufiger zu. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche um 8,2 Prozent auf 7490 Taten. Allerdings scheiterte laut Kriminalstatistik fast jeder zweite Einbruchsversuch an der Eigensicherung der Bewohner.

40-Jähriger sitzt in Hannover in U-Haft

Aber was, wenn die Täter sich nicht abschrecken lassen? Wer zur Waffe greift, kann sich schnell ins Unrecht setzen. In Hannover sitzt ein 40-Jähriger, der vor zwei Wochen nachts auf einen jungen Mann geschossen hat, in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Einbrecher im Alter von 18 Jahren starb. Der Schütze beruft sich auf Notwehr. Die Ermittler sehen aber Ungereimtheiten in seiner Darstellung. Bei dem 63-Jährigen in Hamburg sieht die Staatsanwaltschaft dagegen Anhaltspunkte für eine Notwehrhandlung. Der Mann kam wieder frei.

Selbst im ehemals Wilden Westen werden Schüsse auf Eindringlinge geahndet - das haben die Hamburger erst im vergangenen Jahr gelernt. Ein Austauschschüler aus Altona war nachts im US-Staat Montana in eine Garage eingedrungen. Der Hausbesitzer erschoss den unbewaffneten 17-Jährigen und berief sich auf Notwehr. Das Gericht nahm ihm das aber nicht ab und verurteilte ihn wegen vorsätzlicher Tötung zu 70 Jahren Haft.

(dpa)
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