Wache in Hannover Polizist soll Flüchtlinge gequält haben

Berlin · Zwei 19-Jährige sind in einer Bundespolizei-Wache in Hannover angeblich schwer gepeinigt worden. Der beschuldigte Beamte soll sich gegenüber Kollegen in einem sozialen Netzwerk damit gebrüstet haben. Die Mitwisser unternahmen nichts.

Hannover: Polizist soll Flüchtlinge gequält haben
Foto: ap

Ist die Strafanzeige gegen einen Bundespolizisten in Hannover ein "erschreckender Einzelfall", wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) "mit Scham und Wut" beklagt? Oder hat sie nur die Spitze eines Eisbergs markiert, wofür es ebenfalls Anzeichen gibt. Jedenfalls will sich die Staatsanwaltschaft in Hannover nun ein umfassendes Bild davon machen, was ein 19-jähriger Afghane im März 2014 und ein 19-jähriger Marokkaner ein halbes Jahr später in Gewahrsam der Bundespolizei im Bahnhof von Hannover zu erleiden hatten.

Der Verdacht von schlimmstem Rassismus und Menschenverachtung hat sich mit dem Bekanntwerten jener Einträge erhärtet, mit denen sich der 39-jährige Beamte in schlechtem Deutsch bei einem Kurznachrichtendienst gegenüber Kollegen gebrüstet haben soll. "Hab den weggeschlagen. Nen Afghanen. Mit Einreiseverbot. Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig. Und an den Fußfesseln durch die Wache geschliffen. Das war so schön. Gequiekt wie ein Schwein. Das war ein Geschenk von Allah." Diese Aussagen sollen die Kollegen nach der ersten Tat am 9. März gelesen haben, dem der Afghane zum Opfer fiel.

Ein halbes Jahr später gab es sogar ein Foto von jenem jungen Marokkaner, der gefesselt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Fliesen liegt. "Das ist ein Marokkaner. Den habe ich weiß bekommen", soll der Beamte geschrieben haben. Mit Verweis auf den Vorgesetzten heißt es in dem begleitenden Text weiter: XY (der unmittelbare Vorgesetzte, Anmerkung der Redaktion)"hat gesagt, dass er ihn oben gehört hat, dass er gequiekt hat, wie ein Schwein. Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen. Vom Boden".

Wie muss es um die Achtung der Menschenwürde in einer Polizeieinheit bestellt sein, wenn solche widerlichen Bekundungen von Beamten zur Kenntnis genommen werden, ohne dass dem Misshandler Folgen drohen? "Witzig" und "schön" im Zusammenhang mit den Abscheulichkeiten zeugen von einem besorgniserregenden Klima. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft drehen sich nun um Mitwisser und mögliche Mittäter, zumal das Bild auch Hinweise auf weitere Beteiligte enthält.

"Sollten sich die Vorwürfe über rassistisch motivierte Misshandlungen im Polizeigewahrsam bestätigen, wäre das ein echter Tiefschlag für den demokratischen Rechtsstaat", sagt Grünen-Polizeiexpertin Irene Mihalic. Der Polizei komme als Inhaberin des staatlichen Gewaltmonopols im Innern eine besondere Verantwortung zu. "Es stellt sich die Frage, ob es sich um Einzelfälle oder um ein strukturelles Problem handelt", erklärt Mihalic.

Dass es hier nicht nur um Einzelfälle geht, vermutet unter anderem der niedersächsische Flüchtlingsrat. "Es hat immer wieder Gerüchte über Misshandlungen bei der Bundespolizei gegeben", berichtet Geschäftsführer Kai Weber. "Offenbar Fälle von Folter" sieht die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl. Sie verweist auf einen anonymen Insider, der dem NDR berichtete: "Es gab öfter lautes Geschrei in den Gewahrsamszellen. Und wenn das zu nervig war, dann wurde nicht nachgeschaut. Es wurde einfach die Tür geschlossen, damit nichts nach außen drang." Für Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt steht fest: "Der Skandal im Skandal ist die Tatenlosigkeit der Mitwisser in Polizeiuniform."

Für unberechtigt hält dagegen Niedersachsens GdP-Chef Dietmar Schilff den Rückschluss auf schweigende Mitwisser: "Einen solchen Kodex, wie er auch in Krimis dargestellt wird, gibt es generell bei der Polizei nicht." Das unterstützt auch Rainer Wendt von der Polizeigewerkschaft. Er unterstreicht die "korrekte Arbeit Zigtausender Polizisten - gerade die der Bundespolizei". Die meisten Vorwürfe gegen die Beamten seien unbegründet, 90 Prozent aller Strafverfahren würden eingestellt. Sein Vorschlag: In Gewahrsamszellen Videokameras installieren, um das korrekte Verhalten der Polizisten dokumentieren zu können.

(may-)
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