Ausstellung "Projekt Armut" in Bonn Hartz-IV-Puppenstuben sollen Klischees offenlegen

Bonn · Die Themen Hartz IV und Obdachlosigkeit sind in Deutschland oftmals mit einem Tabu belegt oder laden zu Diskriminierungen ein. Die Kunststudentin Jana Merkens behandelt auf ungewöhnliche Weise diese Problematik: Mit bizarren Puppenstuben kritisiert sie die Sicht der Gesellschaft auf Armut.

"Projekt Armut" - Ausstellung mahnt Hartz-IV-Klischees an
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"Projekt Armut" - Ausstellung mahnt Hartz-IV-Klischees an

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In einem unordentlichen Wohnzimmer sitzt die blonde Mutter Peggy auf dem Sofa und hält einen Brief vom Arbeitsamt in den Händen. Vater Hermann lümmelt nur mit Unterwäsche bekleidet in seinem Sessel vor dem Fernseher, und Baby Kevin hockt schreiend auf dem Boden. In diesem Wohnzimmer werden alle Klischees zum Thema Hartz IV bedient. Aber das Ganze ist nur eine Puppenstube - erschaffen von der Bonner Kunststudentin Jana Merkens.

"Alles hat damit begonnen, dass ich eine Semesterarbeit zum Thema Gesellschaft für die Uni anfertigen sollte", erzählt sie. "Ich habe mich für Hartz IV entschieden. Das ist dann etwas ausgeartet. Das Thema hat mich einfach so gerührt und gepackt, dass ich nicht mehr aufhören konnte."

Ziel: Der kritische Blick

Es geht der 24-Jährigen nicht darum, Hartz-IV-Empfänger aufs Korn zu nehmen. Auch wenn man das auf den ersten Blick vielleicht denken könnte. Vielmehr möchte sie zeigen, wie die Klischees von der Wirklichkeit abweichen: "Ich will unser Denken kritisieren. So, wie viele Leute Hartz-IV-Empfänger sehen, sieht die Wirklichkeit einfach nicht aus", sagt sie.

Um das deutlich zu machen, hat sie auch zwei Zimmer gebaut, die wahre Schicksale von Hartz IV-Empfängern zeigen. Einmal wird eine ehemals wohlhabende Frau gezeigt, die völlig verzweifelt zwischen Umzugskartons in ihrer Wohnung sitzt. Ihr droht die Zwangsräumung. In der zweiten Puppenstube sammelt ein resigniert wirkender Mann Flaschen ein.

Es ist nicht das erste Mal, dass Merkens ein solches Thema aufgreift. Sie hat auch schon eine Arbeit über Obdachlosigkeit angefertigt und dafür ebenfalls realistisch wirkende Puppen gebaut. Das Thema Obdachlosigkeit hatte sie während eines zweijährigen Aufenthaltes in San Francisco begleitet. "Das Elend der 30.000 Obdachlosen in der Stadt ist einfach allgegenwärtig", sagt sie.

Um das Thema besser zu durchdringen, hat sie selbst einige Zeit auf der Straße gelebt. "Diese Erfahrungen habe ich in die Figuren einfließen lassen. Manche Puppen beruhen auf wahren Geschichten, wie etwa der Banker", erzählt sie. Den kenne ich aus San Francisco. Er trägt noch immer seinen Anzug, obwohl er seit zwei Jahren auf der Straße lebt."

(lnw)
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