Rekord-Bilanz nach dem Castor-Transport "Hass und Gewalt ohne Beispiel"

Dannenberg/Trebel · Nach fünf langen Tagen hat der Castor-Transport sein Ziel erreicht. Sowohl Polizei als auch Demonstranten klagen über einen Exzess der Gewalt. 100 Polizisten haben Verletzungen erlitten. Castor-Gegner mussten ins Krankenhaus. Im Zentrum der Diskussion stehen etwa 450 militante und gut organisierte Chaoten.

Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten
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Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten

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Der Castor-Tranpsort 2011 war für lange Zeit der letzte. Er wird mit einer Rekordbilanz in die Bücher eingehen.

126 Stunden. Noch nie brauchten die Atommüll-Behälter so lange. Und wohl noch nie gab es derart viele gewalttätige Auseinandersetzungen.Die Fronten: verhärtet. Die Demonstranten werfen der Polizei einen überharten Einsatz vor. Zudem seien Fotografen gezwungen worden, ihre Aufnahmen zu löschen. Die Polizei beklagt eine zunehmende Bereitschaft zur exzessiven Gewaltanwendung.

Autonome Chaoten im Fokus

Nach Ansicht des niedersächsischen Innenministers war der Einsatz für die 19.000 eingesetzten Polizisten so anstrengend wie bisher kein anderer. "Für die Polizei war es ohne Frage der härteste Einsatz, seit die Castor-Transporte stattfinden mussten", sagte Uwe Schünemann (CDU) am späten Montagabend in Dannenberg.

Die Beamten hätten zwar 8000 friedlichen Demonstranten erlebt, aber auch "über 450 autonome Chaoten aus dem ganzen Bundesgebiet", die in "ziemlich brutaler Form" aufgetreten und auf Polizisten losgegangen seien. Der Innenminister des Bundeslandes, in dem der Atommüll nun zwischengelagert wird, sagte, das habe es "so" noch nicht gegeben. Durch die vermummten Chaoten sollen sich auch andere Demonstranten haben mitreißen lassen.

100 Blockaden, 2000 Weggetragene, knapp 33 Mio. Euro

Schünemann verurteilte die Angriffe militanter Demonstranten auf Polizisten scharf. Beamte wurden mit Böllern, Flaschen und Holzpfählen beworfen. Überdies seien Steine und mit Schrauben durchbohrte Golfbälle als Wurfgeschosse gegen Polizisten eingesetzt worden. "Das haben wir in der Form nicht erwartet", sagte der Innenminister. Militante hätten außerdem weitere Demonstranten "angesteckt". Letztlich sei es von der Polizei "völlig angemessen gewesen, Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray einzusetzen".

Der CDU-Politiker äußerte sich überdies "froh" darüber, dass es grundsätzlich einen friedlichen Protest "mit kreativen Aktionen" gegeben habe. Insgesamt hätten 100 Blockaden stattgefunden. Die Polizei habe über 2000 Blockierer weggetragen. Angesichts der Dauer des Einsatzes würden dessen Kosten voraussichtlich "nicht erheblich" unter den 33 Millionen Euro des letzten Castor-Transports liegen.

Hundert Polizisten wurden verletzt

Ingesamt seien nach bisherigen Erkenntnissen beim Aufeinandertreffen mit militanten Castor-Gegnern etwa hundert Beamte verletzt worden. 15 bis 20 Polizisten seien nun dienstunfähig, erklärte Schünemann.

Freilich beklagen auch die Demonstranten ein überhartes Einsteigen der Polizei. Offizielle Zahlen über Verletzte lagen zunächst nicht vor. Medienberichten zufolge sind es an die 200. Die Gruppe "X-tausendmalquer" spricht von fünf Demonstranten, die bei der Räumung so stark verletzt worden seien, dass sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Die Polizei hatte im Wendland wiederholt Wasserwerfer, Gummiknüppel und Reizgas eingesetzt.

"Ohne Beispiel"

Nach dem Eintreffen der Castoren ist die Gewalt erloschen. Die Castor-Gegner haben ihre Zelte abgebaut und sind nach Hause zurückgekehrt. Am Dienstagmorgen ist vor Ort von dem Protest nichts mehr zu spüren. Erledigt hat sich die Sache aber nicht. Die Polizeigewerkschaft fordert ein politisches Nachspiel. GdP-Chef Bernhard Witthaut sagte am Montagabend: "Der Hass und die Gewalt, die meinen Kolleginnen und Kollegen von einzelnen autonomen Gruppen entgegenschlug, waren ohne Beispiel", kritisierte er.

Es sei "bedrückend, dass sich auch Politiker und Bürgerinitiativen nicht eindeutig von dieser Gewalt distanziert" hätten. Atomkraftgegner und einige Politiker wie Grünen-Bundeschefin Claudia Roth hatten zuvor dagegen kritisiert, Polizisten seien teils unverhältnismäßig gegen Demonstranten vorgegangen.

Castor-Widerstand "noch lange nicht" am Ende

Die Gegner der Kernenergie kündigten unterdessen weitere Proteste an. Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sagte auf einer Pressekonferenz der Castor-Gegner in Trebel: "Der Castor-Transport ist am Ende, wir noch lange nicht."

Jochen Stay von ".ausgestrahlt" betonte, der heftige Widerstand der vergangenen Tage stehe für die verbreitete Ablehnung eines Endlagers in Gorleben. Er sprach von "immensen Risiken" einer Lagerung in dem "maroden Salzstock" von Gorleben. Die Aktivisten forderten eine gänzlich vorurteilsfreie Suche nach einem Endlager für den Atommüll.

(APDA/AFP)
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