US-Gefangenenlager empört Menschenrechtler Heftige Proteste gegen Guantanamo

Berlin · Zehn Jahre Militärjustiz, knapp 800 Häftlinge und nur sieben Gerichtsurteile: Menschenrechtsaktivisten und Politiker machen den USA wegen ihres berüchtigten Gefangenenlagers Guantanamo weiter schwere Vorwürfe.

2008: Gefangenenlager Guantanamo
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2008: Gefangenenlager Guantanamo

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Foto: AP

Die Organisation Amnesty International (AI) demonstrierte am Mittwoch vor der amerikanischen Botschaft in Berlin für eine baldige Schließung des Lagers und prangerte die Untätigkeit der Bundesregierung an. Ähnlich äußerten sich FDP und Grüne, die US-Präsident Barack Obama an sein uneingelöstes Wahlkampfversprechen erinnerten, den "Schandfleck" Guantanamo zu beseitigen.

Nach Aufnahme der ersten Terrorverdächtigen am 11. Januar 2002 sei das Militärlager mehr und mehr zum "Symbol für den verfehlten Kampf gegen den Terrorismus" geworden, kritisierte der AI-Generalsekretär in Deutschland, Wolfgang Grenz. Von den knapp 800 bisherigen Insassen seien lediglich sieben rechtskräftig verurteilt worden. "Die verbliebenen 171 Häftlinge müssen entweder vor ein ordentliches Zivilgericht gestellt oder freigelassen werden", forderte Grenz.

Als Zeichen des Protests sperrte Amnesty Aktivisten in orangener Häftlingskluft in nachgebildete Gefängniszellen vor der Botschaft am Brandenburger Tor. Außerdem wurden Unterschriften für die Schließung Guantanamos gesammelt. Am Nachmittag sollten ferner die Namen aller bisherigen Häftlinge von Berliner Schülern verlesen werden.

Grüne erinnern an Obamas Wahlkampfversprechen

Guantanamo war ursprünglich als provisorisches Lager für Verdächtige gedacht, die zu Beginn des Afghanistankriegs aufgegriffen wurden. Von den insgesamt fast 780 Gefangenen wurden drei Viertel schließlich entlassen, drei von ihnen nach Deutschland.
Heute sind noch 171 inhaftiert, darunter der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, Chalid Scheich Mohammed. Eine Anklage oder einen Prozess haben die meisten laut AI nie bekommen.

In den Augen der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth steht das unter dem früheren US-Präsidenten George W. Bush ins Leben gerufene Lager "für das Scheitern einer Administration, die den systematischen Bruch von Menschenrechten bis hin zur Folter mit dem Schutz von Freiheit und Demokratie rechtfertigen wollte". Dass Bushs Nachfolger Obama sein Versprechen, das Lager auf einer US-Marinebasis im Südosten Kubas nach Amtsantritt umgehend zu schließen, ebenfalls nicht eingehalten habe, werfe "einen großen Schatten über seine Präsidentschaft".

Nach Ansicht des menschenrechtspolitischen Grünen-Sprechers Volker Beck hat die Bundesregierung nicht genug zur Schließung Guantanamos beigetragen. Seit 2002 habe Deutschland lediglich zwei ehemalige Häftlinge aktiv aufgenommen. Dabei hätten die Vereinigten Staaten ihre Bündnispartner dringend gebeten, nachweislich ungefährliche Lagerinsassen zu übernehmen. US-Präsident Barack Obama wiederum müsse seinerseits dafür sorgen, "diesen Schandfleck zu beseitigen".

US-Kongress blockiert Schließung des Lagers

FDP-Generalsekretär Patrick Döring bezeichnete Guantanamo als "Sündenfall der westlichen Welt". Wenn die Demokratien des Westens der terroristischen Bedrohung wirksam entgegentreten wollten, dürften sie nicht ihr eigenes Wertesystem opfern, mahnte er.
"Deshalb wünschen wir uns, dass der US-Kongress seine Haltung überdenkt und den Weg zur Auflösung des Lagers freimacht."

Schon im Wahlkampf 2008 hatte der jetzige US-Präsident Barack Obama angekündigt, Guantanamo binnen eines Jahres zu schließen.
Diese Frist ist jedoch längst verstrichen. Seit einem Jahr hat kein einziger Häftling mehr das Lager verlassen können.

Der von den Republikanern dominierte US-Kongress sperrt sich gegen Freilassungen, weil einige Ex-Insassen zu den Taliban oder zu Al Kaida zurückkehrten. Eine Verlegung der Gefangenen in die USA hat der Kongress ebenfalls verweigert - und damit Obamas Schließungsplan praktisch zunichtegemacht.

(APD)
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