Fremdenhass in Heidenau Ein Bürgermeister verteidigt seine Stadt

Heidenau · Zwei Nächte infolge randaliert ein rechter Mob vor einer neuen Unterkunft für Flüchtlinge. Heidenau in Sachsen ist in diesen Tagen zum traurigen Symbol für Fremdenhass geworden. Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) will sich wehren. "Das ist kein Nazi-Nest", sagt er.

 In Erklärungsnot: Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU).

In Erklärungsnot: Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU).

Foto: dpa, oki wst

Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz ist sichtlich bemüht, nach den ausländerfeindlichen Krawallen des Wochenendes wieder positive Signale zu setzen. Opitz erzählt von der Willkommensinitiative für Flüchtlinge, die es auch gibt. "Wir können jede Unterstützung gebrauchen", sagt er noch - und schiebt nach, er würde gerne nach Gabriel "auch Frau Merkel hier begrüßen können".

Zwei Nächte lang hatte ein rechter Mob von der neuen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in einem ehemaligen Baumarkt randaliert. "Wir haben Angst", sagt ein junger Mann aus Afghanistan, und dann schildert er traumatische Erlebnisse: Wie sie den Busfahrer, der sie hierherbrachte, anflehten, wieder umzukehren, während die Rechten ihr Fahrzeug mit Steinen bewarfen.

"Es ist auch eine Familie aus Afghanistan hier, die waren total geschockt", sagt ein anderer, der sich als Hassan vorstellt. Trotz allem sei er aber "glücklich, jetzt in Deutschland zu sein", fügt er schnell noch hinzu. Auch die Polizei sage, dass es "für uns jetzt sicher ist".

Heidenau, die 16.000-Einwohnerstadt vor den Toren Dresdens, ist eigentlich kein "Verlierer-Ort". Schmucke Einfamilienhäuser gibt es hier, Wohnblocks sind in lindgrün und gelb gestrichen, das Rathaus ist frisch renoviert. Selbst der Baumarkt wirkt überhaupt nicht heruntergekommen, auch wenn Opitz einräumt, dass er als Quartier für Flüchtlinge natürlich "nicht ideal" ist. "Aber es ist besser als Turnhallen", sagt er.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der wegen der Ereignisse in Heidenau das Programm seiner Sommerreise geändert hatte und als erstes Mitglied der Bundesregierung hierher gekommen ist, findet deutliche Worte. "Wir müssen dafür sorgen, das Klarheit ist: Kein Millimeter diesem rechtsradikalen Mob", sagt der Vizekanzler. Die fremdenfeindlichen Gewalttäter seien Leute, "die haben mit Deutschland nichts zu tun und darauf kann es nur eine Antwort geben: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir erwischen, auch das Gefängnis".

Doch auch Gabriel begegnet in Heidenau den Menschen, die sagen: "Wir haben ja nichts gegen Ausländer, aber ...". Vor dem Baumarkt liefern sie sich Wortgefechte mit Unterstützern der Flüchtlinge. "Wir sind doch nicht die Mutter Teresa der Welt", ereifert sich ein Mann im Fahrraddress auf dem Parkplatz vor der inzwischen eingezäunten und strikt abgeriegelten Unterkunft, vor der nun drohend ein Wasserwerfer steht.

Der SPD-Chef versucht zu differenzieren zwischen "dem Mob" und denen, die sich echte Sorgen machen. "Wir haben eine doppelte Integrationsaufgabe", sagt er - nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die eigene Bevölkerung. Und er bekräftigt die Forderung nach mehr Unterstützung des Bundes für die überlasteten Städte und Gemeinden. Statt der zugesagten einen Milliarde Euro "werden die Kommunen wohl eher drei Milliarden Euro brauchen".

Während Gabriel weiterfährt, um bei Infineon in Dresden und anderswo wenigstens noch einige der eigentlich für diesen Tag geplanten Unternehmensbesuche nachzuholen, sitzt in Heidenau der Schock weiter tief - auch über das Vorgehen der Polizei, die bei den Krawallen zunächst nur mit völlig unzureichenden Kräften vor Ort war. Auch mehr als 30 verletzte Polizisten waren die Folge gewesen.

"Erst als am Sonntag die Leute kamen, die die Flüchtlinge unterstützen wollten, ist dann reichlich Polizei dagewesen und mit niedriger Eingreifschwelle", schimpft ein junger Mann. Er ist mit Freunden hergekommen, um den Asylbewerbern Fußbälle und Kleidung zu bringen. Das machten inzwischen viele Heidenauer, sagt er.

(AFP)
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