Heiner Koch Wieder ein rheinischer Bischof für Berlin

Dresden / Berlin · Heiner Koch soll wohl als Nachfolger für Rainer Maria Kardinal Woelki neuer Erzbischof von Berlin werden. Der 60-Jährige stand zuletzt dem Bistum Dresden-Meißen vor und ist gebürtiger Düsseldorfer.

 Heiner Koch im vergangenen Jahr bei der Glockenweihe in St. Gertrud in Düsseldorf.

Heiner Koch im vergangenen Jahr bei der Glockenweihe in St. Gertrud in Düsseldorf.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Zur Ruhe kommt Heiner Koch fast nie. Nur einmal durften wir es erleben, das war mitten in der Nacht auf einem gemeinsamen Spaziergang über den Petersplatz in Rom. Am kommenden Tag sollte dort verkündet werden, dass ein Deutscher Papst der römisch-katholischen Kirche ist. Jetzt aber herrschte noch tiefe Ruhe, und Heiner Koch schien diese in sich aufzusaugen. Die große Peterskirche und der weite Petersplatz als Kraftspender.

Die brauchte er schon damals, und die wird er künftig noch mehr benötigen. So verdichteten sich gestern Gerüchte, dass Heiner Koch als Nachfolger Kardinal Woelkis neuer Erzbischof von Berlin werden soll. Sein Name war vorab durchaus genannt worden, doch blieb er einer unter mehreren Kandidaten. Manches sprach für Koch: seine Fähigkeit etwa, auf Menschen zuzugehen. Er ist aber auch ein spiritueller Manager, den man wegen dieser Fähigkeiten immer schon gerne dahin schickte, wo es arbeitsbelastend wehtut. Der gebürtige Düsseldorfer schuf Anfang der 90er Jahre im Erzbistum Köln neue Seelsorgebereiche und managte als Generalsekretär den Weltjugendtag - immerhin das größte Kirchenereignis hierzulande. Geholfen hat ihm damals zweierlei: sein Gottvertrauen und sein Handy. Mit dem Telefon regelte er das Machbare und mit seinem Glauben den Rest. In dieser Zeit hat er sich auch sein Erkennungszeichen erworben: Koch ist ein Schnellsprecher, der mit jedem Satz zu fürchten scheint, zu Lebzeiten nicht mehr alles Nötige sagen zu können.

Der neue deutsche Papst kam zum Weltjugendtag nach Köln, wurde bejubelt - und belohnte Heiner Koch ein Jahr später auch für diesen Einsatz: Benedikt XVI. ernannte ihn 2006 zum Weihbischof und Titularbischof des nicht mehr existierenden irischen Bistums Ros Cré.

Erst 52 Jahre alt war Koch damals. Gerne spricht man dann von einer steilen Karriere, doch für den neuen Bischof war es auch eine extrem arbeitsintensive. Sie ist es bis heute geblieben. Denn als neuer Bischof von Dresden-Meißen stand er seit 2013 einem Bistum vor, das seinen Glauben fast verloren hat. Lediglich 140 000 Katholiken leben dort; das sind vier Prozent der Bevölkerung. Ein Bischof in der Diaspora, der auf dem Weihnachtsmarkt gefragt wird, ob er echt sei, und den Anrufe aus der Wäscherei erreichen, dass die Abendkleider für Frau Koch nun fertig seien. Darüber lacht Koch, gerne und herzlich. Gleich danach beginnt er wieder zu arbeiten. Koch ist in Dresden ein beliebter und volksnaher Bischof geworden - auch ohne großes Kirchenvolk.

Das wiederum sprach lange Zeit gegen ihn. Denn in nur zwei Jahren hat Bischof Koch wichtige Aufbauarbeit geleistet, hat den Menschen Mut und Beine gemacht für ihren Glauben. Ihm ist es zu verdanken, dass der 100. Katholikentag nächstes Jahr in Leipzig stattfindet. Und erst kürzlich hat er uns noch tief bewegt von einem fast unglaublichen Erlebnis dort erzählt: der Kirchweihe der Leipziger Propsteikirche, bei der er mit flacher Hand langsam Chrisamöl auf die Altarplatte rieb und bei der es später einen kleinen Umzug durch die weitgehend atheistische Stadt gab. Eine erhebende Demonstration des Glaubens war das. Bestaunt von denen, die am Straßenrand standen, und unfassbar für alle, die mitgingen.

Von dort wird Koch nach nur zwei Jahren vermutlich bald weiterziehen; und wer gestern in Dresden nach Bestätigung der Gerüchte fragte, erntete diese Antwort: "Wir fürchten, ja." Koch wird von einer Diaspora in die andere wechseln. Denn auch Berlin ist innerkatholisch ein eher unbedeutendes Bistum, das allerdings politisch ungleich größere Wahrnehmung genießt. Unter den Bischöfen zählt Koch - neben Ackermann, Overbeck und Oster - zu jenen, um die man sich auch auf politischem Parkett nicht fürchten muss.

Dagegen ist er theologisch schwer einzuordnen. Ist Koch ein Liberaler oder zählt er zu den Konservativen? Verlässliche Antworten darauf hat er selbst nie gegeben. Zuletzt prangerte er Auswüchse der kapitalistischen Wirtschaft an - das war zum Treffen der G7-Finanzminister. Allerdings leitet er seit kurzem in der Bischofskonferenz die Kommission Ehe und Familie. Ein Feld, das auch seit den Debatten über "Homo-Ehe" und den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen eine klare Position und ein deutliches Profil verlangt. Auf Bischof Koch wird darum auch in Berlin dies vor allem warten: eine Menge Arbeit.

(RP)
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