Erstmals nach einjähriger Auszeit Helmut Kohl tritt wieder öffentlich auf

Berlin/Stuttgart (RPO). Der 8. Mai bleibt ein wichtiger Tag im Leben von Helmut Kohl. Vor einem Jahr heiratete er die 34 Jahre jüngere Maike Richter. Exakt ein Jahr später lässt er sich nach seiner schweren Verletzung wieder in der Öffentlichkeit sehen. Anlass: die Auszeichnung mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis.

Kohls erster Auftritt nach einjähriger Auszeit
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Den Blick fest nach vorne gerichtet, seine Ehefrau eng an seiner Seite, ließ sich Alt-Kanzler Helmut Kohl am Freitag in einem Rollstuhl in den Festsaal schieben. Hunderte von Blicken waren auf den 79-Jährigen gerichtet, als er in Stuttgart zum ersten Mal seit seiner schweren Kopfverletzung im vergangenen Jahr wieder in der Öffentlichkeit auftrat. Der Ehrengast wirkte ernst und gefestigt. Nur bei seiner Ansprache im Weißen Saal des Neuen Schlosses kämpfte Kohl bisweilen mit Schwierigkeiten. Dem "Kanzler der Einheit" wurde im 20. Jahr der Wiedervereinigung der Hanns-Martin-Schleyer-Preis verliehen.

Der Alt-Bundeskanzler hatte offensichtlich mit dem Interesse an seinem Gesundheitszustand gerechnet. "Dies ist heute mein erster öffentlicher Auftritt", sagte er zu Beginn seiner etwa fünfminütigen Ansprache. Kohl hatte nach einem Sturz im Februar 2008 in seinem Wohnhaus in Ludwigshafen wegen eines Schädel-Hirn-Traumas sofort operiert werden müssen. Während eines Reha-Aufenthalts hatte er vor einem Jahr seine 34 Jahre jüngere Lebensgefährtin Maike Richter im engsten Freundeskreis geheiratet.

"Ich habe mir das lange überlegt", sagte Kohl über sein Erscheinen. Die Freundschaft zu dem 1977 von der RAF ermordeten Arbeitgeber-Präsidenten Hanns-Martin-Schleyer, nach dem die Auszeichnung benannt ist, habe ihn dazu bewogen, zu kommen. Kohl stand Schleyer nahe. Mehrfach sagte er: "Ich habe einen guten Freund verloren." Er betonte: "Das gehört für mich dazu, wenn wir über 60 Jahre Bundesrepublik reden."

Die Freundschaft zu Kohl stellte auch dessen Laudator als besondere heraus. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker schloss seinen "väterlichen Freund" herzlich in die Arme. Kohl sei die "bestimmende historische Galionsfigur des europäischen Einigungsprozesses", sagte Juncker. Trotz all seiner Verdienste um die deutsche und die europäische Einigung sei Kohl aber "vor allem ein bescheidener Mensch". Er habe eine hemdsärmelige, sehr direkte Art, zu reden" und sei "immer der einfache Junge aus Ludwigshafen geblieben".

Die Jury würdigte Kohl dafür, dass er die "historische Chance der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit entschlossen ergriffen" habe. Er stehe für die "Verständigung zwischen den Europäischen Staaten und die deutsch-französische Aussöhnung". Zweiter Preisträger des Abends war der Manager Joachim Milberg. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) überreichte die Auszeichnungen.

Worum es an dem Abend im Neuen Schloss vorrangig ging, sprach Juncker in seiner Laudatio offen aus: "Wir sind alle froh, dass Helmut Kohl wieder in unserer Mitte ist". Der Saal applaudierte lange. Ein öffentlicher Auftritt wie am Freitag wird trotz schrittweiser Genesung vorerst aber weiterhin eine Besonderheit bleiben. Nach Angaben seines Büros will Kohl sich in den kommenden Monaten noch schonen.

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