TV-Trends 2014 Im Fernsehen regt sich neues Leben

Düsseldorf · Schon tausendfach ist das deutsche Fernsehen totgesagt worden. Einfalls- und mutlos, ohnmächtig gegenüber dem Internet, nur noch die Alten vor dem Bildschirm, heißt es. Am Samstag trug das ZDF auch noch Wetten, dass..? zu Grabe. War das der Anfang vom Ende? "Im Gegenteil", sagt Thomas Lückerath, Medienexperte des Branchendienstes dwdl\.de.

TV-Momente des Jahres 2014: Von Dschungelcamp bis Fußball-WM
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Die TV-Momente des Jahres 2014

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Schon tausendfach ist das deutsche Fernsehen totgesagt worden. Einfalls- und mutlos, ohnmächtig gegenüber dem Internet, nur noch die Alten vor dem Bildschirm, heißt es. Am Samstag trug das ZDF auch noch Wetten, dass..?? zu Grabe. War das der Anfang vom Ende? "Im Gegenteil", sagt Thomas Lückerath, Medienexperte des Branchendienstes dwdl.de.

Die Krisenszenarien für das Fernsehen sind fast so alt wie das Internet. Seit Jahren prognostizieren Experten fundamentale Veränderungen der Sehgewohnheiten. Der Zuschauer stelle sich bald lieber sein individuelles Programm im Netz zusammen. Reed Hastings, als Geschäftsführer der US-amerikanischen Online-Videothek Netflix angeblich einer der Totengräber, sieht spätestens im Jahr 2030 das Ende kommen.

Der Abschied von "Wetten, dass..?", dem letzten Lagerfeuer des deutschen Fernsehens, scheint diese vorauseilenden Nachrufe nur zu bestätigen. Doch wer einen Schritt zurücktritt und einen Blick auf die Entwicklungen des Jahres 2014 wirft, erkennt gegenläufige Trends.

Markus Lanz beendet letzte "Wetten, dass..?"-Sendung um 23.49 Uhr
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Bilder der allerletzten "Wetten, dass..?"-Sendung

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"Das Fernsehen ist nicht tot", sagt Thomas Lückerath vom Medienmagazin dwdl.de. Er erkennt beim Blick auf die Entwicklungen der vergangenen zwölf Monate sogar beachtlich viel Leben in der Branche. Im Gespräch mit unserer Redaktion identifiziert er drei markante Trends.

Serienkult Es begann in den USA und hat nun endgültig auch Deutschland überrollt. Kaum ein Format steht inzwischen so für erfolgreiches Qualitätsfernsehen wie die intelligent erzählte Serie. Bisher feierten in Deutschland anspruchsvoll erzählte Geschichten aus den USA die großen Erfolge, "Breaking Bad" etwa, "Game of Thrones" oder "House of Cards". Nun haben die deutschen Sender den Weckruf gehört.

"Im Herbst gab es eine Welle von Ankündigungen, selbst hochwertige Serien produzieren zu wollen", so Lückerath. Fast alle großen Sender beteiligen sich daran und investieren Millionen. Es geht um Prestige, Zuschauer und die Zuschauer von morgen.

Die ARD dreht in Zusammenarbeit mit Sky "Babylon Berlin", eine Polizei-Serie aus dem Deutschland der 20er Jahre. Das ZDF produziert mit internationalen Partnern die Superserie "The Team", die die Ermittlungen eines europäischen Polizeieinheit schildert. RTL versucht sich an "Deutschland", einem deutsch-deutschen Spionagedrama in den 80ern inmitten von Kaltem Krieg, Friedensbewegung und Neuer Deutscher Welle. Produzent Nico Hofmann spricht von einem radikalen Versuch: 'Deutschland' werde kein Kompromissprogramm sein. "Da bewegt sich was", sagt Lückerath.

Markus Lanz umarmt Samuel Koch in letzter "Wetten, dass..?"-Sendung
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Samuel Koch zu Gast in letzter "Wetten, dass..?"-Show

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Fernsehen on demand Spätestens mit dem Start des Streaming-Dienstes Netflix im September ist der Bann gebrochen. Auf dem deutschen Film- und Serienmarkt ist ein Kampf um die Zuschauer entbrannt. Etwa 50 Streaming-Dienste buhlen um Kunden, neben Netflix auch Schwergewichte wie Amazon, Watchever und Maxdome.

Dass Serien, Nachrichten und Spielfilme es im Jahr 2014 geschafft haben, Zuschauer ins Internet zu ziehen, führt Lückerath auf verbesserte Technologie mobiler Endgeräte zurück. "Da ruckelt nichts mehr so wie noch vor zwei, drei Jahren", sagt der Medienkenner. Welches Ausmaß die Nutzung bereits erreicht habe, erkenne man zum Beispiel beim Zugfahren: "Früher hatten die meisten ein Buch oder eine Zeitschrift dabei, heute schauen sie aufs Handy oder Tablet."

Das sagen RP-Online-Leser zum Aus von "Wetten, dass..?"
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Foto: dpa, ebe sab

Relevanz "Das Fernsehen gewinnt Relevanz zurück", bilanziert Lückerath. Das macht er vor allem an Formaten wie dem investigativen "Team Wallraff" fest. Im Frühjahr hatte RTL mit den Enthüllungen über Missstände bei Burger King oder skandalöse Zustände im Pflegeheim nicht nur Anerkennung gewonnen, sondern auch Top-Quoten erzielt. Neben Wallraff hebt Lückerath die Vox-Show "In der Höhle des Löwen" hervor. Darin dürfen Kandidaten einer Jury aus erfolgreichen Unternehmern ihre Geschäftsideen vorstellen. Schaffen sie es zu überzeugen, bekommen sie das nötige Startkapital.

"Diese Show hat hunderte Arbeitsplätze geschaffen", lobt Lückerath. Für Vox hat sie sich ebenfalls als Erfolgsmodell erwiesen. Lückerath ist überzeugt: Setzen sich TV-Formate ernsthaft und anspruchsvoll mit dem Leben der Menschen in Deutschland auseinander, zahlt sich das aus. "Wenn Fernsehen relevant ist und dem Zuschauer etwas zumutet, dann wird es dafür belohnt", erläutert der Medienfachmann. DokuSoaps mit Daniela Katzenberger hätten hingegen ausgedient. Entscheidend für den Erfolg ist in seinen Augen einzig und allein die Qualität. Ob in klassischem Fernsehen oder einem Streaming-Dienst sei dem Zuschauer am Ende egal.

(pst)
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