Jesuiten-Kolleg in Berlin Immer mehr Missbrauchsopfer melden sich

Berlin/Hamburg (RPO). Der Skandal des sexuellen Missbrauchs von Schülern beim Jesuiten-Orden zieht immer größere Kreise. Der Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten, Stefan Dartmann, sagte am Montag in Berlin, es hätten sich drei weitere Opfer eines der beiden belasteten Priester aus Hamburg sowie zwei weitere Betroffene aus Sankt Blasien im Südschwarzwald gemeldet.

 Der Missbrauchsskandal am Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg weitet sich aus.

Der Missbrauchsskandal am Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg weitet sich aus.

Foto: ddp, ddp

Zugleich gebe es Hinweise in Akten, dass sich der mutmaßliche Täter Wolfgang S. bis 1990 auch in Chile und Spanien des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht habe. Im Fall des zweiten Beschuldigten Peter R. habe es die Beschwerde einer Mutter gegeben, deren 14-jährige Tochter "unsittlich berührt" worden sei, sagte Dartmann. In Berlin haben sich nach Aussage des Rektors des Canisius-Kollegs (CK), Pater Klaus Mertes, bislang 20 Betroffene gemeldet.

Dartmann entschuldigte sich ausdrücklich bei den "Opfern von Übergriffen unserer ehemaligen Mitbrüder". Er bat im Namen des Ordens um Entschuldigung für alle Missbräuche, die sie am Berliner Kolleg erlebt hätten. Ebenso bitte er um Verzeihung für das, "was von den Verantwortlichen des Ordens damals an notwendigem und genauem Hinschauen und angemessenem Reagieren unterlassen wurde".

Wolfgang S. war Dartmann zufolge Lehrer für Deutsch, Religion und Sport. Er lehrte von 1975 bis 1979 am CK und von 1979 bis 1982 an der Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg. Von 1982 bis 1984 war er am Kolleg in St. Blasien im Schwarzwald tätig. 1985 ging er nach Chile und trat 1992 aus dem Orden aus. In Hamburg sowie in Baden-Württemberg war er in psychologischer Betreuung, wie Dartmann weiter mitteilte.

In einem Fragebogen zur Rückversetzung in den Laienstand habe S. 1992 selbst angegeben, dass es auch während seiner Zeit in St. Blasien und in Hamburg sexuelle Übergriffe gegeben habe, sagte Dartmann. Diese hätten in einem "exzessiven körperlichen Bestrafungsritual" bestanden, nicht aber in Geschlechtsverkehr. Bei dem Fragebogen sei ihm Diskretion zugesagt worden. Das Papier sei nach Rom gesandt worden und liege mittlerweile unter Verschluss.

Der andere mutmaßliche Täter, Peter R., war den Angaben zufolge am CK von 1972 bis 1981 als Religionslehrer und in der Jugendarbeit tätig. Von 1982 bis 89 war er in der überpfarreilichen Jugendarbeit in Göttingen beschäftigt. Von 1989 bis 1992 war er beurlaubt. Im Jahr 1995 habe er den Orden verlassen, nachdem ihm der Austritt nahegelegt worden sei, sagte Dartmann. Seitdem bestehe kein Kontakt mehr zu ihm.

Erste Hinweise auf Missbrauchsfälle habe es 1981 in einem offenen Brief von kurz zuvor aus dem Kolleg ausgeschiedenen Schülern gegeben, räumte der Provincial ein. In dem Schreiben sei unter anderem die Sexualpädagogik von R. kritisiert worden. 1988/89 habe es aus Göttingen Hinweise auf Übergriffe auf ein Mädchen gegeben. Kurz darauf ging R. in die Diözese Hildesheim, wo ihm jede Jugendarbeit untersagt wurde. Dennoch beschwerte sich später eine Mutter über Übergriffe.

Der Charakter seiner Verfehlungen habe in sexuellen Berührungen und Selbstbefriedigung bestanden, sagte der Provincial. Hinweise auf Vergewaltigung oder Geschlechtsverkehr gebe es in den Akten nicht. Nach Angaben von Dartmann wurde 1982 ein Mordanschlag auf R. verübt. Ob es sich bei dem Täter um einen ehemaligen Schüler handelte, wie Medien berichteten, konnte er nicht sagen. Der Patre sei bei dem Anschlag leicht verletzt worden.

Dartmann sagte, S. habe angegeben, sich 1992 einigen Kirchenoberen offenbart, anderen aber nur allgemeine Andeutungen gemacht zu haben. Es sei fraglich, ob hieraus die richtigen Schlüsse hätten gezogen werden können.

Rektor Mertes führte an, der wichtigste Beitrag zur Wiedergutmachung sei die Aufklärung. Bislang hätten die Betroffenen noch keinen Wunsch nach finanziellem Schadenersatz geäußert. Ihnen gehe es um Kommunikation mit der "institutionellen Täterseite". Sie seien damals "auf Schweigen gestoßen und versunken". Warum der Brief 1981 nicht beachtet worden sei, wisse er nicht und er schäme sich dafür. Nach Bekanntwerden der Fälle habe er sich allerdings nicht in der Anzeigepflicht gesehen, da diese bereits verjährt seien.

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(AFP/felt)
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