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Analyse Ist der Islam eine friedliche Religion?

Düsseldorf · Die Integration des Islam in aufgeklärten Gesellschaften bleibt eine Baustelle. Ein Zeitungskommentar hat die alte Debatte neu entfacht.

Analyse: Ist der Islam eine friedliche Religion?
Foto: AP, AP

Ach, wenn das mit dem Zusammenleben der Religionen doch alles so kommod und friedfertig zuginge, wie es sich ein auf Goldene Worte verpflichtetes Staatsoberhaupt im Verein mit allen Menschen guten Willens wünscht: Bundespräsident Joachim Gauck, der einmal evangelischer Pastor in Rostock war, sprach zum Ende des Fastenmonats Ramadan die Mitbürger(innen) muslimischen Glaubens so an: Je mehr die Angehörigen verschiedener Religionen übereinander wüssten, desto stärker wachse das Gefühl, dass wir alle in Deutschland zusammen gehören, auch wenn wir nicht derselben Religion angehören und unterschiedliche religiöse Feste feiern.

Indes, auch bei Bundespräsident Gauck scheint an anderer Stelle seiner Grußbotschaft zum Ramadan-Ende durch, was der große katholische Theologe Joseph Ratzinger (von 2005-2013 Benedikt XVI.) einst als "Pathologien der Religion" bezeichnete. Diese Krankheiten mit den gefährlichen Symptomen Verbohrtheit, Hass bedürfen laut Ratzinger immerzu des therapeutischen Lichts der Vernunft. Man kann das den Ruf nach Aufklärung nennen. Im christlichen Abendland hat sie im 18. Jahrhundert viel christliche Dunkelheit erhellt.

Manches, was uns heute an muslimischem Eiferertum stört, gar ängstigt, hängt damit zusammen, dass mancherorts, wo der Islam gesellschaftlich prägend und staatstragend ist, das Licht der abendländischen Aufklärung (Kant: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen") wie eine Funzel glimmt.

Das ist ein Problem in einer Welt, die immer mehr zusammenwächst. Prallen aufgeklärte Menschen (manche halten sich nur dafür), seien sie religiös oder nicht, mit Nicht-Aufgeklärten, sprich religiösen Fundamentalisten aufeinander, stoßen sich Denk- und Gefühlswelten hart im Raum. Um die Ecke lauern Fanatismus und Mordlust.

Der grob gestrickte Meinungsbeitrag eines erklärtermaßen atheistischen Berliner Journalisten (ein Feuer speiender Filius des großen Bürgers, Skeptikers und Publizisten Joachim Fest) beweist, dass auch religiös "Unmusikalische" (Habermas) mit christlichem Urgrund sprachlich und gedanklich aus dem Leim gehen und das Erbe der Aufklärung verraten können.

Eins der Probleme unserer Beziehung zum Islam ist, dass diese oft angst- und noch öfter klischee-besetzt ist. Das ist eine Folge der Unkenntnis - aber auch der Vermittlung. Denn der Islam hat gewissermaßen keine verlässliche Anschrift, also keinen verbindlichen Ansprechpartner. Das spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Auslegen des Korans. Ist etwa die berüchtigte Sure 2,191 wörtlich zu verstehen, in der dazu aufgefordert wird, alle Nicht-Muslime zu bekämpfen und zu töten, "wo immer ihr auf sie trefft"? Und ist darin eine allzeit gültige Legitimation zur Gewalt zu verstehen, wie Glaubensfanatiker es für sich beanspruchen? Oder ist der Text nur im Kontext seiner Entstehung zu verstehen, also aus der Zeit des 7. Jahrhunderts?

Eine strenge, wörtliche Auslegung trifft nicht die kollektive Mentalität der muslimischen Gesellschaft. Doch allein die Option der Schriftauslegung bleibt ein permanenter Unsicherheitsfaktor.

Das trifft auch bei der Frage zu, welche auch weltliche Gültigkeit und wirksame Reichweite die Scharia in Anspruch nehmen darf, die religiöse Gesetzgebung des Islam. Während in muslimischen Mehrheitsgesellschaften die Scharia durchaus die allgemeine Gesetzesgrundlage bilden kann, ist dies in den Rechtsstaaten westlicher Prägung jedoch undenkbar.

Ohnehin ist es schwierig, von dem einen Islam zu sprechen und ihn zu beurteilen. Die renommierte Islam-Wissenschaftlerin Gudrun Krämer sieht - wie auch bei christlichen Volkskirchen - Säkularisierungstendenzen. Danach werden unter Muslimen seit einiger Zeit zwei Trends ausgemacht: auf der einen Seite wird die Zugehörigkeit zum Islam betont; dies mit einer deutlichen Zuwendung zu den religiösen Praktiken und Pflichten. Andererseits werden säkulare Werte und Lebensformen angenommen und verinnerlicht.

In allen Debatten ist es nicht ratsam, Probleme, die existieren, einfach wegzureden. Aber diese sind, so Krämer, meist nur ein Teil der Wirklichkeit, der nicht für das Ganze steht. Und dieses Ganze des Islam ist nach Krämer kein nachhaltiges Problem - weder für die Republik noch für den Rechtsstaat.

Diese Einschätzung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Islamismus (nicht der Islam) zu häufig seine hässliche Fratze zeigt - etwa im nicht selten todbringenden Kampf gegen Christen und Juden, gegen "Ungläubige" und deren westliche, freie Art zu leben. Besorgniserregend sind die wiederkehrenden Kriminalstatistiken zu straffällig gewordenen jungen männlichen, schlecht integrierten, falsch erzogenen, ungenügend ausgebildeten Muslimen in bestimmten Großstadt-Vierteln. Demgegenüber steht ein Heer der anständigen, rechtstreuen Muslime, die sich leider zu oft bloß insgeheim und nicht öffentlich hörbar schämen für ihre radikalen Glaubensbrüder mit ihren Unheilsbotschaften gegen Frauen, Homosexuelle, Juden, Christen.

Vielleicht ist ja wirklich umfassende Schul- und Volkshochschulbildung über Geschichte, Völkerkunde, Religionen (das ist alles andere als uncool) der Schlüssel zum vernünftigen Zusammenleben in der "Bunten Republik Deutschland" (Ex-Bundespräsident Christian Wulff). So könnten dann Muslime, Christen und Juden, wie es Gauck vorschwebt, am Ende doch die Gewissheit einen, dass "die Zumutungen des Glaubens Kraft geben für die Zumutungen des Lebens."

(RP)
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