Skandal um den Limburger Bischof Ist die Kirche zu kurieren?

Düsseldorf · Die Bibel lehrt die Christen, sanft wie die Tauben und klug wie die Schlangen zu sein. Limburgs Bischof hat Teil zwei des Rates nicht beherzigt. Aber auch das zeigt sein Fall: Macht- und Ränkespiele sind der Kirche nicht fremd.

Der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx wurde unlängst von Journalisten gefragt: "Können auch Bischöfe sündigen?" Marx antwortete: "Ich fürchte, ja."

Sünder und Heilige

In der Kirche gibt es seit alters her Sünder und Heilige. Die "eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" hat über 20 Jahrhunderte menschlich Großes und Abgründiges in die Welt gebracht. Ist es zynisch zu behaupten: Gerade weil laut Matthäus 16, 18 die Kirche eine Stiftung Christi ist und von diesem eine Überlebensgarantie erhielt (" . . . und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden"), können noch so gravierende Verstöße gegen die christlichen Tugenden Petrus, den Fels nicht zugrunde richten? Schon gar nicht schafften das gefallsüchtige, machtversessene Renaissance-Kleriker oder gelingt das heute Ästheten in Violett, die ins teure Bauen verliebt sind, mit Geld, das ihnen zu treuen Händen gegeben wurde.

Grelles Blinken

Es geht eine Woche zu Ende, in welcher die Kirche durch die Limburger Ereignisse um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wieder zur Angeklagten wurde. Grell blinkt eine reiche deutsche Kirche, und es leuchtet einmal mehr die Weisheit des emeritierten Papstes Benedikt XVI. auf, der als Kurienkardinal Joseph Ratzinger vor 19 Jahren in dieser Zeitung gesagt hatte: "Die Kirche in Deutschland muss sich fragen, von welchen Dingen sie sich freiwillig trennen kann, bevor sie ihr genommen werden."

Auch für den aktuellen Fall Limburg ließe sich ein Rat des Kirchenlehrers Ratzinger/Benedikt heranziehen. Auf die Frage, was er Kritikern entgegnen würde, die der Kirche angesichts von Verfehlungen das Recht absprechen, als moralische Autorität aufzutreten, antwortete der spätere deutsche Papst: "Sicherlich hat es immer Irrtümer kirchlicher Amtsträger gegeben. Stets jedoch hat die Kirche Menschen geistige und seelische Heimat angeboten, ihnen Kraft zum Leben und im Leiden und Sterben Hilfe gegeben."

Allzeit sprungbereit

Das jetzt von ehrlich besorgten Katholiken und allzeit sprungbereiten Kirchenhassern gezeichnete Bild einer deutschen Raffke-Kirche ist allzu oberflächlich. Und dies noch: Nachrufe auf auf eine deutsche Kirche, die an prunkender Selbstherrlichkeit ersticke, wirken verfrüht. Andererseits: Zu glauben, über die Causa Limburg werde alsbald Gras wachsen, im Übrigen sei die Wendung von der "ecclesia semper reformanda" ("Die Kirche muss sich immerzu erneuern") bloß ein Wort, kein Auftrag, wäre riskant und töricht obendrein. Wer meint, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.

Sollten die als traditionell eingestuften Mitglieder des deutschen Episkopats meinen, es sei kein Umdenken nötig, auch nicht beim eigenwilligen Haushalten mit Kirchenvermögen, dann fügten sie ihrer Kirche Schaden zu. Der 2012 verstorbene Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini, ein Jesuit wie Papst Franziskus, stellte wenige Tage vor seinem Tod seherisch fest: "Die Kirche im wohlhabenden Europa und Amerika ist müde, die Kirchengebäude sind groß, aber leer, und der bürokratische Apparat der Kirche bläht sich auf." Weiter: "Unsere Rituale und die Gewänder sind pompös. Wir sind in der Situation des reichen Mannes, der traurig weggeht, als Jesus ihn ruft, sein Jünger zu werden."

"Wie kurieren wir die Kirche?"

In seinem fabelhaft anregenden Buch "Wie kurieren wir die Kirche?" (Dumont-Verlag) lässt der Theologe und Journalist Joachim Frank den Orientalisten und Nicht-Christen Navid Kermani zu Wort kommen. Kermani, in den 50er Jahren nach Deutschland eingewandert, stimmt das Hohelied auf eine Kirche nahe bei den Menschen an, so, wie sie sich Franziskus wünscht: "Die Gastfreundschaft, die Wärme, ja die Liebe, die wir von katholischen Christen in persönlichen Begegnungen erfuhren, haben bei mir zu einer lebenslangen Loyalität, einer tiefen Sympathie für das Christentum geführt."

Thomas Frauenlob, seit 2006 im Vatikan tätig, kommt in Joachim Franks Buch so zu Wort: Der Papst im Gästehaus (nicht im prunkvollen Apostolischen Palast) schmiede an einem neuen Denken. Man fragt sich: Welches Denken mag den Bauherren in Limburg und dessen verantwortliche, unverantwortliche, hasenfüßige Kontrolleure geleitet haben? Neues Denken ist es wohl nicht gewesen.

Die Lehren aus Limburg

Limburg lehrt mancherlei: dass es Hirten gibt, die sich von ihrer Herde entfernt, Vertrauen verloren haben; dass in der deutschen Kirche Machtspiele und Ranküne herrschen, an denen sich auch Gremien wie Domkapitel oder Priesterrat beteiligen. Ob Tebartz-van Elst den ersten Teil des biblischen Rates befolgt, "sanftmütig wie die Tauben" zu sein, wissen wir nicht; dass er den zweiten Teil, "klug wie die Schlangen" zu sein, nicht beherzigt hat, das scheint gewiss.

Er hat seinen Gegnern im Bistum reichlich Anlass zum offenen Widerstand gegeben. Tebartz, der 2007 aus der Dreierliste des Papstes vom Domkapitel gewählt und an der Lahn freudig begrüßt worden war, zog als Nachfolger des lieben Vorgängers Franz Kamphaus andere Saiten auf, oftmals herrisch. Er führte mit kurzer Leine. Auch über die ist er gestolpert. "Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein" — Tebartz' Gegner griffen mit Lust nach jedem Stein.

Kirche wie ein Mantel

Heribert Prantl, Münchner Journalist, Katholik, Kirchgänger, wird von Buchautor Frank gefragt, was ihn als Amtskirchen-Skeptiker noch in der Kirche halte. Prantls Antwort drückt bildhaft aus, was viele Gläubige denken, die über Limburg fast verzweifeln: "Ich würde niemals austreten. Zur Kirche gehören, heißt für mich: einen Mantel tragen, den mir meine Eltern zu meinem Schutz und Wohlergehen umgelegt haben. Er mag an manchen Stellen Mottenlöcher haben. Trotzdem werfe ich ihn nicht weg, sondern halte ihn in Ehren und hänge ihn sorgfältig auf den Bügel."

(RP)
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