Experten: Armut macht Kinder krank Jedes fünfte Kind in NRW ist arm

Düsseldorf · Angesichts wachsender Kinderarmut haben Sozialverbände und Wissenschaftler ein offensives Gegensteuern der Politik gefordert. Nach jahrelangen "Lippenbekenntnissen" müsse die Armutsbekämpfung endlich energisch vorangebracht werden, verlangte NRW-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel am Donnerstag in Düsseldorf.

2011: Fünf Fakten zur Kinderarmut in Deutschland
Infos

2011: Fünf Fakten zur Kinderarmut in Deutschland

Infos
Foto: ddp

"Es mangelt nicht an gutem Willen, aber an handfester Prioritätensetzung, Mut und Durchsetzungskraft." Arme Kinder seien bei Gesundheit, Bildungschancen und Teilhabe klar benachteiligt. Sozialpsychologe Prof. Heiner Keupp (München) betonte, kein anderer Faktor wirke sich auf die Kindergesundheit so stark aus wie Armut.

In Nordrhein-Westfalen nimmt Armut trotz guter Wirtschaftslage zu. Jeder siebte Einwohner ist laut Sozialbericht einkommensarm. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren stieg die Quote auf 21,6 Prozent (2011). Gut jeder fünfte Minderjährige wird demnach in einem einkommensarmen Haushalt groß.

Caritas-Kampagne prangert Zustände an

Nachdem die Appelle und Mahnungen dem Thema Armutsbekämpfung nicht das erhoffte politische Gehör verschafft hätten, wollten die Sozialverbände nun umso stärker für die Belange der benachteiligten Familien trommeln, kündigte Hensel an. Caritas nimmt dabei mit ihrer Kampagne "Armut macht krank" die negativen gesundheitlichen Folgen auf die kindliche Entwicklung in den Fokus.

Als Prävention müssten frühe und aufsuchende Hilfen für junge Familien landesweit unter Beteiligung von Hebammen, Medizinern, Jugendliche angeboten werden. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung solle besser werden - auch mit einem wieder stärkeren öffentlichen Gesundheitsdienst, der in Schulen, Kindergärten und auch in Brennpunkte hineingehe. Die Experten plädierten zudem für ein Grundschul-Unterrichtsfach "Körper und Gesundheit". Das Teilhabe- und Bildungspaket der Bundesregierung erreiche die bedürftigen Kinder nicht ausreichend.

Prof. Gerhard Trabert betonte, Kinder aus einkommensschwachen Familien würden ökonomisch nicht nach ihren Bedürfnissen unterstützt. Nach Hartz-IV-Regelsatz seien etwa für Jungen und Mädchen bis sechs Jahre täglich nur 2,70 Euro für die drei Tagesmahlzeiten kalkuliert, sagte der Vorsitzende des Vereins Armut und Gesundheit. Auch der vorgesehene Gesundheitsetat für Kinder sei zu gering. Noch immer gebe es Diffamierungen gegenüber Armen und Hartz-IV-Empfängern auch unter Politikern, beklagte der Sozialarbeiter, Notfallmediziner und Professor der Hochschule RheinMain (Wiesbaden).

Statt bei einzelnen "Projektchen" zu verharren, müsse Hilfe und Unterstützung effektiv gebündelt werden, betonte der Caritasverband. Man müsse raus aus dem Projektstatus und deutlich mehr in nachhaltige Förderung investieren. Hensel: "Die unterschiedlichen Baustellen sind erkannt, aber trotzdem fehlt die Wucht, die Armutspolitik braucht."

(lnw)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort