Bischöfin tritt zurück Jepsen und der Missbrauch

Düsseldorf/Hamburg (RP). Bischöfin Maria Jepsen ist zurückgetreten. Grund ist ein Missbrauchsfall, den sie nicht konsequent verfolgt haben soll. Nach Margot Käßmann verliert die evangelische Kirche ihre zweite starke Frau.

Das ist Maria Jepsen
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Am Ende war es nur eine kurze Affäre — kaum länger als eine Woche dauerte die öffentliche Diskussion über Bischöfin Maria Jepsen. Vor mehr als zehn Jahren soll sie Missbrauch in ihrer Landeskirche nicht entschlossen genug aufgeklärt haben.

Im Einzelnen: In Ahrensburg bei Hamburg soll Pastor Dieter K. in den 70er und 80er Jahren Jungen und Mädchen sexuell missbraucht haben. Eine ehemalige Ahrensburger Pröpstin und die Schwester eines Opfers wollen Jepsen 1999 informiert haben; die Bischöfin habe zugesagt, sich darum zu kümmern. Zwar wurde K. im selben Jahr aus der Gemeinde genommen, arbeitete aber weiter — ausgerechnet als Seelsorger in der Jugendstrafanstalt Schleswig und als Lehrer an einem Ahrensburger Gymnasium. Jepsen sagte, sie sei 1999 nur über K.s Affäre mit einer Frau informiert worden; das Wort Missbrauch sei nicht gefallen. Anfang der Woche hatte der "Spiegel" den Fall geschildert. Dann legte die Schwester eine eidesstattliche Versicherung vor. Freitag trat Jepsen zurück.

Seit 1992 war die in Segeberg geborene, studierte Altphilologin und Theologin Jepsen Bischöfin. Ihre Wahl schien eine Revolution zu sein, denn sie war weltweit die erste lutherische Bischöfin. Die eigentliche Sensation war danach aber, wie selbstverständlich und souverän sie trotz ihrer vielbeäugten Sonderstellung das Amt ausübte; wie wenig Fehler sie — die feministische Theologin — machte und dabei nie auf eine eigene, bisweilen nicht sonderlich populäre Meinung verzichtete.

Dass sie der Legalisierung homosexueller Lebensgemeinschaften zustimmte und vor sieben Jahren gar die Schirmherrschaft für den Christopher Street Day in Schleswig-Holstein übernahm, sorgte für Diskussionen, reichte aber nicht zur Skandalisierung. Auch ihr neuer Bischofssitz in Hamburg, den die Landeskirche 1993 für eine Million Mark erwarb, brachte größtenteils jene auf den Plan, die sich zuvor schon auf der Seite ihrer Kritiker beheimatet hatten.

Wahl Jepsens war "bedeutsamer Moment"

2002 jedenfalls wählten sie die Kirchenparlamentarier mit überzeugender Mehrheit für eine zweite Amtszeit bis 2012. Jepsen, die Anfang des Jahres 65 geworden ist, wird diese Amtszeit vorzeitig beenden. Der Ratschef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, würdigte gestern denn auch Jepsens Wahl 1992 als "bedeutsamen Moment". Nicht zuletzt Jepsen sei es zu verdanken, dass die Landeskirchen vom Streit um die Bewertung der Homosexualität nicht zerrissen worden seien.

Jepsen sagte am Freitag nicht, sie habe einen Fehler gemacht. Sie sagte — offensichtlich getroffen von den Vorwürfen —, sie könne ihr Amt nicht mehr ausüben, weil ihre Glaubwürdigkeit angezweifelt werde. Mit der Begründung war im Februar auch Margot Käßmann als Landesbischöfin von Hannover und EKD-Ratschefin zurückgetreten. Bei Käßmann freilich war der Fehler klar; der Fall Jepsen ist verworren.

Mit Jepsen verliert die EKD binnen Kurzem die zweite starke Frau und vorerst ihre letzte — die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann ist (noch?) zu unbekannt, um diese Lücke zu füllen. Da hilft es wenig, dass die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt Chefin der Synode ist und dass im Rat vier weitere Frauen sitzen: Die öffentlichkeitswirksame Repräsentation des deutschen Protestantismus ist wieder Männersache, wie vor 20 Jahren.

Die Synode im November muss zwei Ratsplätze neu besetzen — den von Käßmann und den, auf dessen Inhaber man sich voriges Jahr nicht einigen konnte. Es könnte eine Stunde der prominenten Frauen werden. "Sprachfähig sein und zuhören können" sei ihr Prinzip, hat Jepsen einmal gesagt. Nicht nur für sie persönlich, nicht nur für die nordelbische Kirche ist es bitter, dass es ausgerechnet Zweifel an dieser Gottesgabe waren, die zu ihrem Rücktritt geführt haben.

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