Zentralrat der Juden Josef Schuster wird wohl neuer Präsident

Würzburg · "Wer einmal eine Lungenentzündung hatte, der wird jedem Husten größere Bedeutung beimessen", sagte Josef Schuster einmal. In Kenntnis der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands sei die jüdische Gemeinde eben noch wachsam.

Der 60-jährige Internist aus Würzburg wird dieses Wächteramt wohl bald an prominenter Stelle ausüben können. Der bisherige Vizepräsident des Zentralrats der Juden wird sich am 30. November in Frankfurt am Main um die Nachfolge von Dieter Graumann bewerben.

Schuster, der 1954 in Haifa geboren wurde, kam im Alter von zwei Jahren nach Unterfranken. Sein ganzes Leben hat er mehr oder weniger in Würzburg verbracht: Nach dem Abitur und dem Medizinstudium samt Promotion absolvierte er seine Facharztausbildung im Würzburger Juliusspital. Seit 1988 hat er seine eigene Praxis, engagiert sich als Notarzt im Rettungsdienst und bei der Wasserwacht. Schon immer habe er Würzburg als sehr lebenswert empfunden, sagt Schuster.

Auf über 450 Jahre Familiengeschichte in Unterfranken kann der wohl zukünftige Präsident zurückblicken. Während des NS-Regimes floh die Familie jedoch aus Deutschland. Das elterliche Centralhotel wurde im Jahr 1933 beschlagnahmt. Eine Verhaftung von Schusters Großvater und Vater folgte im Jahr 1937. Nach Haft in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald hatte die Familie nur wenige Tage Zeit, der Heimat den Rücken zu kehren. Es war die Auflage für die Freilassung.

1956 wagte die Schusters die Rückkehr aus Palästina. Vater David Schuster erhielt einen Lehrauftrag für Jüdische Geschichte an der Universität Würzburg, von 1958 bis 1996 war er Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Würzburg und Unterfranken, ein Amt, das seit 1998 sein Sohn Josef ausübt. Die Gemeinde war in den 1990er Jahren durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion rasch gewachsen. Hatte sie zu Beginn dieses Jahrzehnts keine 200 Mitglieder mehr, sind es heute mehr als 1.000.

Unter dem Vorsitz von Josef Schuster entstand das sichtbare Zeichen für ein lebendiges Judentum in Würzburg. Das 2006 eingeweiht Gemeindezentrum "Shalom Europa" beherbergt die Synagoge, einen Gemeindesaal sowie ein interkulturelles Mehrgenerationenhaus. Auch ein Museum zum Judentum in Unterfranken, eine Jugendbildungsstätte sowie eine einzigartige Sammlung jüdischer Grabsteine haben auf dem Areal ihr zu Hause gefunden.

Immer wieder hebt Schuster, der seit 2002 auch Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern ist, die Akzeptanz des Zentrums für Veranstaltung jenseits der jüdischen Gemeinde hervor. In Würzburg gibt es eine lebendige christlich-jüdische Gesellschaft, in der sich auch Schuster engagiert.

Religionen und Kulturen könnten Gespräche nur auf Augenhöhe voranbringen, sagte Schuster einmal in einem Interview mit der Universität Würzburg. "Wenn es gelingt im Erkennen der gemeinsamen ethischen Werte respektvoll miteinander umzugehen, dabei die Vorstellungen und Glaubensgrundlagen der anderen zu respektieren, ohne zu versuchen ihm seine eigenen Glaubensgrundsätze aufzuzwingen, wäre viel gewonnen."

(KNA)
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