Karneval der Kulturen Übergriffe in Berlin wecken Erinnerungen an Köln

Berlin · Besucherinnen des Karnevals der Kulturen in Berlin haben am Pfingstwochenende ähnliche sexuelle Übergriffe erlitten wie viele junge Frauen in der Kölner Silvesternacht. Das Außmaß der Übergriffe wurde erst nach und nach bekannt.

Die Masche der Täter war nach Angaben der Polizei die gleiche wie in Köln. Sie seien als sogenannte Antänzer aufgetreten, dabei habe eine Gruppe von Männern eine oder zwei Frauen umringt. Die Frauen seien an Brust, Po und im Schritt begrapscht worden. Wer zu fliehen versuchte, sei in die Gruppe zurückgezogen worden.

In mehreren Fällen griffen den Angaben zufolge Festival-Besucher beherzt ein und halfen den Frauen. In einem Fall filmte ein 27-Jähriger das Geschehen, die Aufnahme soll nun auch in den Ermittlungen verwendet werden.

Das Ausmaß der Übergriffe wurde erst nach und nach durch die steigende Zahl der Opfer bekannt. Die Polizei rechnet damit, dass sich in den nächsten Tagen weitere Geschädigte melden.

Beim Karneval der Kulturen gab es zwei Täter-Gruppen, die als Antänzer auftraten: Einige, die Frauen sexuell belästigten und bestahlen, andere, die es nur auf Geldbeutel und Mobil-Telefone abgesehen hatten.

Gegen sieben dieser Verdächtigen sind Haftbefehle erlassen worden. Das teilte eine Polizeisprecherin am Dienstagabend auf dpa-Anfrage mit. Die sieben Männer waren zuvor festgenommen worden, weil sie Frauen angetanzt haben sollen, um sie abzulenken und die Handtasche oder andere Wertgegenstände der Betroffenen zu stehlen. In diesen Fällen gab es keine sexuellen Übergriffe.

Antänzer gelten in Berlin schon länger als Sicherheitsproblem. Schon am 1. April gründete die Polizei eine eigene sechsköpfige Ermittlungsgruppe. Die Polizei entschloss sich am Dienstag auch, die ausländische Herkunft der Täter bekannt zu machen. Dies geschehe, "wenn es zum Verständnis für den Sachverhalt notwendig erscheint", hieß es von Seiten der Polizei. Die Verdächtigen, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden, stammen demnach aus der Türkei. Die weiteren Tatverdächtigen, die Diebstähle begangen haben sollen, kommen aus Tunesien, Marokko, Algerien, Libyen, der Türkei und Deutschland. Insgesamt sollen 22 Personen an den Übergriffen beteiligt gewesen sein.

Erinnerungen an Köln werden wach

Die Taten erinnern an die Vorgänge aus der Kölner Silvesternacht. Allerdings sind sie nach bisherigen Erkenntnissen im Umfang nicht vergleichbar. Hunderte junge Frauen wurden damals am Kölner Hauptbahnhof Opfer sexueller Übergriffe. Auch damals erfuhr man zunächst nur von einzelnen Taten, bis sich erst viele Tage später das ganze Ausmaß der Vorfälle offenbarte. Auch damals wurden vor allem junge Frauen von Männern südländischer Herkunft umringt, betatscht und bestohlen. So berichteten Opfer unter anderem davon, am ganzen Körper angefasst worden zu sein, und dass man versucht habe, ihnen die Kleidung auszuziehen, während sie verhöhnt wurden.

Die Polizei machte im Nachgang der Vorfälle vor allem durch ihr missglücktes Krisenmanagement von sich Reden. Zu lange dauerte es, bis Informationen bekannt gemacht wurden. Mittlerweile laufen die Ermittlungen aber auf Hochtouren. Über 1200 Opfer haben sich seit der Silvesternacht bei den Behörden gemeldet, mehr als 1500 Straftaten wurden angezeigt und über 150 Tatverdächtige ermittelt.

Auch die ersten Urteile wurden bereits gesprochen: Drei Männer wurden wegen Diebstählen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Und ein 21-jähriger Algerier muss wegen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung für ein Jahr ins Gefängnis. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) appellierte an mögliche weitere Opfer von Übergriffen oder Diebstählen beim Karneval der Kulturen, sich bei der Polizei zu melden.

(RP)
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