Naturschützer schlagen Alarm Kaum ein Vogel ist noch da

Düsseldorf · Die Zahl einiger Vogelarten hat sich in diesem Winter offenbar dramatisch reduziert. Viele Jungvögel sind im Frühling verhungert oder erfroren. Zudem werden einige Arten durch Krankheiten bedroht.

 Singvögel wie Rotkehlchen sind durch Unterkühlung gestorben.

Singvögel wie Rotkehlchen sind durch Unterkühlung gestorben.

Foto: Kochanek

"Alle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle" - so beginnt das berühmte Kinder- und Frühlingslied von Hoffmann von Fallersleben. Doch anders als im Liedtext muss es zumindest in diesem Winter heißen: Kaum ein Vogel ist (noch) da. Den Naturschutzbund in NRW (Nabu) erreichen in diesen Tagen zahlreiche Anrufe von Vogelfreunden, die sich wundern, wo die Wintervögel sind. Trotz gut gefüllter Futterhäuschen, Meisenknödeln und Körnerstangen machen sich viele Vogelarten in den Gärten rar. Tatsächlich gibt es in diesem Jahr "auffallend weniger Singvögel" zu beobachten, sagt Nabu-Sprecherin Birgit Königs. Es handele sich um ein "flächenübergreifendes Problem", das ganz NRW betreffe. "Für uns sind diese Beobachtungen wie ein Frühwarnsystem", sagt Königs.

Zum einen ist wohl die schlechte Brutsaison 2016 dafür verantwortlich, sagt Ornithologe Heinz Kowalski. Nässe und Kälte in diesem Frühjahr und Frühsommer ließen zahlreiche geschlüpfte Jungvögel an Unterkühlung sterben. Zudem habe das nasskalte Wetter einen Mangel an Insektennahrung zur Folge gehabt. So fehlten den Meisen beispielsweise Raupen, mit denen sie ihren Nachwuchs hätten füttern können. Jungvögel, die nicht an Kälte gestorben sind, seien schlicht verhungert. Viele Vogelschützer, die derzeit Nistkästen säuberten, fänden darin Nester mit toten Jungvögeln oder gar nicht erst ausgebrüteten Eiern. "Da zum Beispiel Meisen in der Regel nur einmal jährlich brüten dafür aber immer relativ viele Eier legen, fehlt jetzt der Nachwuchs aus dieser Brutsaison", erklärt der Vogelexperte. Besonders betroffen sind die "kleinen heimischen Singvögel" - neben Meisen etwa Rotkehlchen, Kleiber, Amseln und Finken. Konkrete Zahlen oder Schätzungen liegen noch nicht vor.

Dass sich derzeit sehr wenig Vögel an den Futterstellen blicken lassen, könnte Experten zufolge aber auch mit dem milden Wetter zu tun haben: Die Tiere finden aktuell auch in den Hecken und im Wald noch ausreichend Nahrung. Zudem fehlen momentan noch die Wintergäste aus dem Norden und Osten - weil es auch dort noch wärmer ist als sonst.

 Die Zahl der Amseln wurde durch das Usutu-Virus dezimiert.

Die Zahl der Amseln wurde durch das Usutu-Virus dezimiert.

Foto: Reiner Jacobs

Wie groß der Rückgang tatsächlich ist, soll die Zählung der Vögel ergeben. Bei der sogenannten Stunde der Wintervögel sind Gartenbesitzer dazu aufgerufen, zwischen dem 6. und 8. Januar je für eine Stunde die Vögel in ihrem Garten zu beobachten und sich Arten und Anzahl zu notieren und dann an den Nabu zu melden. Im vergangenen Jahr wurden in NRW in 9073 Gärten 334.638 Vögel gezählt. Damals hatte die Kohlmeise den Haussperling von Platz eins verdrängt - das könnte in diesem Jahr anders aussehen.

Nicht nur bei der Meise, auch bei Amseln und Finken sind die Befürchtungen groß, dass sich ihre Zahl stark verringert haben könnte. Die Amseln sind durch das Usutu-Virus, das in diesem Jahr in NRW besonders grassierte, geschwächt. Ebenso gelten die Finken wegen Trichomonadenbefalls als gefährdet.

Wenn das Frühjahr 2017 ähnlich nass und kalt werden sollte, dann könnte das den Vogelbestand nachhaltig dezimieren. "Es dauert ein bis drei Jahre, bis sich der Bestand wieder ausgleicht", sagt Königs. "Verbessern sich die Bedingungen nicht, dann können die Tiere eine schlechte Brutsaison nicht mehr abpuffern."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort