Berliner Eisbär wird vier Knuts trauriger Geburtstag

Berlin · Er liegt einsam auf seinem Stammplatz. Es scheint, als ließe Knut der Wintereinbruch buchstäblich kalt. Vor dem Eisbär-Gehege des Berliner Zoos haben sich sechs Besucher versammelt. Wenn das bekannteste Tier der Stadt am Sonntag seinen vierten Geburtstag begeht, wird die öffentliche Anteilnahme überschaubar bleiben. Knut ist nicht mehr das niedliche tapsige Bärchen von einst. Er ist ein 300 Kilogramm schweres Raubtier mit schmutzigem Fell geworden.

Knut spielt im Berliner Schnee
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Knut spielt im Berliner Schnee

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Knut hat seinen Besuchern den Rücken zugewandt und leckt mit seiner tiefblauen Eisbär-Zunge einsam an einem Schneeklumpen. Es ist der Erste des noch jungen Winters. Während sich Mutter Tosca im Hintergrund auf dem Boden kugelt, bleibt Knut beinahe regungslos. "Es ist immer das gleiche Bild", sagt ein Besucher. "Die drei Eisbärinnen spielen zusammen und Knut liegt deprimiert am Rand." Zoo-Tierarzt Andre Schüle relativiert: "Der größte Fehler ist es, Eisbären zu vermenschlichen." Knut liege zwar oft allein auf seinem Felsen, doch Einsamkeit verspüre er nicht.

Das Bild, das sich den Besuchern bietet, spricht eine andere Sprache: Während die Mitbewohnerinnen Tosca, Nancy und Katjuscha trotz ihres bereits gesetzten Eisbärdamen-Alters gemeinsam den Schnee genießen, motiviert Knut nicht einmal der Schneeball eines Zaungastes zum Aufstehen.

Wie ein Boxprofi im Pelzmantel

Im Gegensatz zu seiner Mutter, die in einem Zirkus aufwuchs, gibt der 430.000 Euro teure Publikumsliebling nicht gern den Tanzbären. Diesen Preis mussten die Berliner dem Tierpark Neumünster zahlen. Das erste überlebende Eisbärjunge von Vater Lars war vertraglich dessen Heimatzoo zugesichert. "So viel, wie es zunächst schien, haben wir durch Knut nicht verdient", sagt Schüle. Die "Ablösesumme" sei aber problemlos wieder eingespielt worden.

Die Besucherzahlen und einen Plüschtier-Absatz wie in den ersten beiden Jahren verbucht der Zoo dennoch längst nicht mehr. Der drei Meter große Eisbär hat den Kuscheltiercharakter gegen die Ausstrahlung eines Boxprofis im Pelzmantel eingetauscht. Spielte er anfangs noch stundenlang mit seinem 2008 verstorbenen Pfleger Thomas Dörflein, rollt sich Knut inzwischen nach der Fütterung um 10.30 Uhr die meiste Zeit auf seinem Felsen zusammen.

Wesentlich agiler zeigte er sich, als bis Juli die gleichaltrige Eisbärin Giovanna für zehn Monate aus dem Münchner Zoo zu Besuch kam. Verpassten sich beide in den ersten Tagen noch gegenseitig amtliche Ohrfeigen, betteten sie sich schon nach wenigen Wochen gemeinsam zum Schlaf. Doch schon zu dieser Zeit zeichnete sich ein Wandel im Leben des Tieres ab: Ein Kormoran, der sich ins Eisbärgehege verirrt hatte, wurde zum Spielball des Pärchens. Ein Prankenhieb genügte, um den erschreckten Zoo-Besuchern die Wirklichkeit aufzuzeigen: Eisbären sind die größten an Land lebenden Raubtiere der Welt.

Knut wird Zucht-Eisbär

"In etwa zwei Jahren ist Knut geschlechtsreif", erklärt Tierarzt Schüle. Dann könnte er für neuen Rummel im Berliner Zoo sorgen, denn "wir planen, dass Knut hier eines Tages als Zucht-Eisbär für neuen Nachwuchs sorgt". Für den Medien- und Kulturpsychologen Stephan Grünewald ist das ein geschickter Schachzug: "Knuts Nachwuchs wird sicher mehr Aufmerksamkeit erregen, als andere Eisbär-Babys". Dennoch werde der Rummel um Tierbabys abflauen. "Knut haben wir seinerzeit kollektiv adoptiert. Damals gab es die Klima-Diskussion und der Arme wurde von seiner Mutter verstoßen. Da kam vieles zusammen." Eine derartig ausgeprägte Tier-Euphorie wie 2006 werde es aber nicht mehr geben.

Zumindest am Sonntag rechnet der Zoo aber noch einmal mit vielen Besuchern. Und damit die einen fröhlichen Knut vorfinden, wartet die traditionelle "Eisbär-Geburtstag-Bombe" auf den Jubilar. Fisch, Brötchen und Rindfleisch in großen Eisklötzen sollen dem Publikum einen glücklichen Knut bescheren. Wenn die drei Eisbärdamen dem Jungspund etwas von seinem Geschenk übrig lassen.

(born)
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