Verurteilter Krankenpfleger Niels Högel soll insgesamt 106 Menschen getötet haben

Oldenburg · Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel soll für den Tod von noch mehr Menschen verantwortlich sein als bisher angenommen. Das ist das Ergebnis von toxikologischen Untersuchungen.

 Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel im Landgericht Oldenburg (Archiv).

Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel im Landgericht Oldenburg (Archiv).

Foto: dpa

Im Fall von Niels Högel gehen die Ermittler inzwischen von 106 Toten an den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg aus, für die der ehemalige Krankenpfleger verantwortlich sein soll. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Oldenburg am Donnerstag mit. Demnach haben sich durch die Untersuchungen 16 weitere Verdachtsfälle ergeben. Zuvor waren die Ermittler von 90 Taten ausgegangen.

Die Ermittler rechnen Niels Högel nunmehr 62 Sterbefälle im Klinikum Delmenhorst sowie 38 Taten am Klinikum Oldenburg zu. Bei fünf von diesen müssten aber noch ergänzende Untersuchungen erfolgen, weil die Betroffenen damals auch medizinisch indizierte Medikamente bekamen, schränkte die Staatsanwaltschaft ein. Wann die Ergebnisse dazu vorlägen, sei derzeit noch unklar.

Zu lebenslanger Haft verurteilt

Niels Högel hatte gestanden, Patienten eine Überdosis von Medikamenten gespritzt zu haben, um Herz-Kreislauf-Stillstände auszulösen und die Menschen anschließend wiederzubeleben. Damit wollte er sich vor Kollegen als heldenhafter Retter beweisen. Viele Patienten überlebten diese Prozedur nicht. Seine Taten beging er zwischen 2000 und 2005.

Der ehemalige Pfleger wurde in zwei Prozessen bereits wegen sechs Morden verurteilt und verbüßt eine lebenslange Haftstrafe. Wegen des Geständnisses von Niels Högel im Verfahren wurden die Ermittlungen anschließend noch einmal massiv ausgeweitet. Eine Sonderkommission exhumierte mehr als 130 frühere Patienten und ließ akribisch sämtliche Sterbefälle an seinen Arbeitsstätten prüfen. Die Staatsanwaltschaft will wegen der neuen Fälle voraussichtlich Anfang kommenden Jahres Anklage erheben.

Kritik an Klinikum

Nach Ansicht der Ermittler hätte ein großer Teil der Morde verhindert werden können. Schon am Klinikum Oldenburg gab es eine Statistik, die zeigte, dass während der Schicht von Niels Högel die Sterberate und die Zahl der Reanimationen stieg.

Das Klinikum Oldenburg trennte sich von dem verdächtigen Pfleger und stellte ihm sogar ein gutes Arbeitszeugnis aus. Eine Warnung an das Klinikum Delmenhorst blieb aus. Auch dort gab es bald Gerüchte, weil auffällig viele Patienten während der Schicht von Niels Högel starben. Später lagen auch handfeste Beweise vor: Zwei frühere Oberärzte und der Stationsleiter werden deshalb wegen Totschlags durch Unterlassen vor Gericht stehen.

(wer)
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