Debatte um Haft für U-Bahn-Schläger Kriminologe: "Warnschuss-Arrest" ist ein Witz

Berlin (RPO). In die Debatte um die Haftverschonung für einen U-Bahn-Schläger nach dem brutalen Angriff auf einen Mann am Osterwochenende haben sich weitere Experten eingeschaltet. Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, zeigte sich überrascht über die Haftverschonung – es bestehe durchaus Fluchtgefahr. Außerdem sei der geplante "Warnschuss-Arrest" ein "kriminologischer Witz".

Debatte um Haft für U-Bahn-Schläger: Kriminologe: "Warnschuss-Arrest" ist ein Witz
Foto: dapd, dapd

Berlin (RPO). In die Debatte um die Haftverschonung für einen U-Bahn-Schläger nach dem brutalen Angriff auf einen Mann am Osterwochenende haben sich weitere Experten eingeschaltet. Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, zeigte sich überrascht über die Haftverschonung — es bestehe durchaus Fluchtgefahr. Außerdem sei der geplante "Warnschuss-Arrest" ein "kriminologischer Witz".

Die Präsidentin des Berliner Kammergerichts, Monika Nöhre, weist dagegen darauf hin, dass in der Diskussion zum Teil nicht zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft unterschieden werde, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Erklärung Nöhres mit dem Präsidenten des Amtsgerichts Tiergarten, Alois Wosnitzka.

Die Untersuchungshaft diene der Sicherung des Strafverfahrens, sie sei keine Strafe, Warnung oder Disziplinierungsmaßnahme. Die Entscheidung über die Strafbarkeit werde im Strafprozess getroffen. Die Kritik, eine "lasche Justiz" lasse einen überführten Täter einfach wieder laufen, verfehle diesen gesetzlichen Rahmen, den der Richter bei seiner Haftentscheidung zu beachten hatte.

Eine kritische Diskussion dürfe die persönliche Integrität der Beteiligten nicht verletzen, betonen Nöhres und Wosnitzka. Dies sei in den vergangenen Tagen nicht immer beachtet worden. Ein Richter, "der auf Grundlage von Recht und Gesetz entscheidet, darf nicht an den Pranger gestellt werden".

An der Aussetzung der Untersuchungshaft für den verdächtigen 18-Jährigen war heftige Kritik geäußert worden. So sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, er sei überrascht über die Entscheidung des Richters. Da der Täter mit einer Freiheitsstrafe rechnen müsse, gebe es "sehr wohl" eine Fluchtgefahr.

Thema "Warnschuss-Arrest"

Pfeiffer bezeichnete die Pläne für einen Warnschuss-Arrest als "reinen Wahlkampf". Die durchschnittliche Wartezeit bis zu einer Hauptverhandlung dauere vier bis sechs Monate. Dann gebe es noch eine nahezu gleichlange Wartezeit bis zur Vollstreckung des Arrests. "Das heißt, etwa acht Monate nach der Tat kommt der sogenannte Schuss vor den Bug. Das ist kriminologisch gesehen ein Witz", sagte Pfeiffer der "Berliner Morgenpost". Dazu komme die hohe Rückfallrate. "Der Glaube, hiermit noch irgendetwas erreichen zu können, trügt."

Der hessische Innenminister Rhein sagte, es dürfe keine Denkverbote geben. Nach den Gewaltexzessen solle es nicht zu "reflexhaften" Diskussionen kommen. "Ich bin ein absoluter Befürworter einer raschen Einführung des Warnschussarrests", sagte Rhein. Zugleich räumte er ein, dass bestehende Strafrahmen besser ausgeschöpft werden müssten.

Grüne und Linke sprachen sich gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechtes aus. Zudem sei der "Warnschuss-Arrest" kein probates erzieherisches Mittel.

Nach dem Überfall auf einen 29-Jährigen auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße hatten sich am Wochenende beide Tatverdächtige gestellt. Gegen den 18-jährigen mutmaßlichen Haupttäter erging Haftbefehl. Er wurde aber vom Ermittlungsrichter unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wird wegen versuchten Totschlags ermittelt. Der Gymnasiast gab an, betrunken gewesen zu sein. Er soll das Opfer verprügelt und bis zur Bewusstlosigkeit getreten haben.

(DAP/ep/felt)
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