Neue Attacke auf Migranten Kritiker werfen Sarrazin Hasstiraden vor

Berlin (RPO). Wegen seiner kritischen Anmerkungen über Migranten wird der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) heftig attackiert. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung wirft ihm pauschale Polemik vor, die wissenschaftlich nicht haltbar sei. Andernorts ist von Hasstiraden die Rede. Sarrazin sei ein Rassist und eine Schande für die Bundesbank.

Thilo Sarrazin liebt klare Worte
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Foto: AP

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), warf dem Bundesbanker am Dienstag "pauschale Polemik gegen muslimische Migranten" vor, die "diffamierend und verletzend" sei. Sarrazin wirft Migranten vor, sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren zu wollen und mehr Kosten zu verursachen, als Nutzen zu bringen.

Böhmer sagte, Sarrazins Behauptungen seien wissenschaftlich nicht haltbar. So gebe es keine Studien, die eine grundsätzliche mangelnde Integrationsbereitschaft der Muslime in Deutschland belegten. Auch blende Sarrazin positive Entwicklungen komplett aus. So hätten seit 2005 mehr als 600 000 Migranten an Integrationskursen teilgenommen, um Deutsch zu lernen.

"Das Versagen ist offensichtlich"

Zudem habe eine Studie gezeigt, dass bei gleicher Leistung und ähnlichem sozialen Hintergrund türkische Kinder häufiger auf die Realschule oder das Gymnasium wechselten als deutsche Kinder. Das zeige den hohen Bildungsanspruch dieser türkischen Familien. Böhmer betonte, Sarrazin hätte als Berliner Finanzsenator die wichtige Aufgabe gehabt, Schulen mit einem hohen Migrantenanteil speziell zu fördern. "Das Versagen ist offensichtlich."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, warf Sarrazin gar "Hasstiraden" vor. Beck sagte: "Wem auf gesellschaftliche Herausforderungen in einer multikulturellen Demokratie nur Beschimpfungen der ohnehin schon Benachteiligten einfallen, hat nicht verstanden, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist."

"Eine Schande für die Bundebank"

Der Interkulturelle Rat in Deutschland warf dem Bundesbank-Vorstand vor, ein Rassist zu sein. Der frühere Berliner SPD-Finanzsenator befürworte eine gesetzliche Diskriminierung von Muslimen und mache sich zum Fürsprecher rechtsextremistischer Parteien und Bewegungen, erklärte der Rat am Dienstag in Darmstadt. Für die angesehene Deutsche Bundesbank sei es eine Schande, einen Rassisten im Vorstand zu haben.

Der Rat forderte die SPD auf, sich mit ihrem Mitglied Sarrazin inhaltlich auseinanderzusetzen. Es sei mehr erforderlich als ein Parteiausschlussverfahren. Dies nämlich könne zur Folge haben, dass Sarrazin in die Arme von NPD und pro Deutschland getrieben werde, die ihn schon seit einiger Zeit als Vorbild feierten und seit langem nach einer politischen Führungsperson suchten.

Berliner SPD auf Distanz

Zumindest in Berlin reagierte die SPD bereits und ging auf Distanz. "Ich kann auf solche Mitglieder als Kreisvorsitzender gut verzichten", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler, der "tageszeitung". Gaebler ist auch Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf, dem Kreisverband von Thilo Sarrazin.

Noch im Frühjahr hatte sich Gaeblers SPD-Verband zähneknirschend hinter Sarrazin gestellt. Damals hatte der ehemalige Finanzsenator und jetzige Bundesbankvorstand in einem Interview gesagt, Araber und Türken hätten "keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel".

Sarrazin, der ein Buch zum Thema Integration veröffentlicht, sagte am Dienstag im Deutschlandradio Kultur, man dürfe nicht zulassen, dass 40 Prozent der muslimischen Migranten von Transferleistungen lebten und ihnen jede Form von Integration "erspart" werde.

Er fügte hinzu: "Für die Gesamtheit der muslimischen Einwanderung in Deutschland gilt die statistische Wahrheit: In der Summe haben sie uns sozial und auch finanziell wesentlich mehr gekostet, als sie uns wirtschaftlich gebracht haben." Sarrazin sagte weiter: "Die unqualifizierte Migration, die wir gegenwärtig haben, und die Migration des ungebildeten, unqualifizierten Familiennachzugs, das kann in dieser Form nicht weitergehen."

(DDP/pst)
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