Opfer von Kundus-Angriff Hinterbliebene verlieren erneut vor Gericht

Köln · Bei einem Angriff in Afghanistan auf deutschen Befehl kamen viele Zivilisten ums Leben. Die Hinterbliebenen haben nun erneut eine Niederlage vor Gericht erlitten. Doch sie wollen weiter kämpfen.

Afghanistan: Das Protokoll des Luftangriffs
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Foto: AP

Es war die Nacht zum 4. September 2009, als der damalige Bundeswehroberst Georg Klein im afghanischen Kundus den verhängnisvollen Angriffsbefehl erteilte: Auf sein Geheiß bombardierte ein US-Kampfjet zwei Tanklastwagen, die von radikalislamischen Taliban entführt worden waren. Doch unter den etwa 100 Toten waren viele Zivilisten.

Einige Hinterbliebene fordern Schadenersatz von der Bundesrepublik Deutschland - und mussten am Donnerstag erneut eine juristische Niederlage einstecken. Das Kölner Oberlandesgericht wies ihre Berufungsklage zurück. (Aktenzeichen 7 U 4/14)

Mit seiner Entscheidung bestätigte das OLG ein Urteil des Bonner Landgerichts. Demnach sei Klein keine schuldhafte Verletzung seiner Amtspflichten vorzuwerfen. Das OLG ließ die Revision zum BGH zu. "Wir werden auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen", sagte der Anwalt der Kläger, Karim Popal, der Deutschen Presse-Agentur. "Klein hat unserer Meinung nach fahrlässig gehandelt." Das Bundesverteidigungsministerium dagegen sieht seine Rechtsauffassung durch das Urteil bestätigt.

Klein hatte die Befürchtung, die Aufständischen könnten die Tanklastwagen als "rollende Bomben" einsetzen, zumal es Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag auf das Kundus-Feldlager gegeben habe.
Die Lkw hatten sich allerdings auf einer Sandbank in einem Fluss festgefahren. Bewohner eines nahe gelegenen Dorfes liefen dorthin, um Benzin abzuzapfen - da warf der amerikanische F15-Jet die beiden 500-Pfund-Bomben ab. Die Opfer wurden zerfetzt oder verbrannten in den Flammen.

Unter den Toten waren mutmaßlich auch die beiden acht und zwölf Jahre alten Söhne von Abdul Hannan sowie der Ehemann von Qureisha Rauf. Die Witwe und Mutter von sechs Kindern ist eine der Klägerinnen und fordert von der Bundesrepublik 50 000 Euro Schadenersatz. Hannan verlangt 40 000 Euro. Die Bundesrepublik Deutschland hatte als freiwillige Leistung an die Familien von 90 Opfern jeweils 5000 US-Dollar (4470 Euro) gezahlt.

Nach Ansicht der Kläger verstieß der Bombenabwurf gegen das humanitäre Völkerrecht. Doch das wäre nach Auffassung des OLG nur der Fall gewesen, wenn Klein gewusst hätte, dass sich Zivilpersonen am Zielort befanden. Der Oberst habe jedoch vor dem Angriffsbefehl alle verfügbaren Aufklärungsmaßnahmen genutzt, um sich vergewissern, dass keine Zivilisten dort waren.

So habe er sich unter anderem sieben Mal bei einem Informanten rückversichert. Auch Infrarotaufnahmen durch die Kampfjets hätten keine anderen Erkenntnisse nahegelegt. Klein habe die Lastwagen somit zu Recht als militärisches Angriffsziel identifiziert. Insofern sei das Urteil des Bonner Landgerichts nicht zu beanstanden.

Die Kundus-Affäre und die anschließende Informationspolitik im Verteidigungsministerium hatten drei Männer ihre Jobs gekostet, darunter den zwischenzeitlich an die Spitze des Arbeitsministeriums gewechselten ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Juristische und disziplinarische Ermittlungen gegen Klein waren eingestellt worden. Er wurde später zum Brigadegeneral befördert.

(dpa)
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