Kampf gegen sinkende Schülerzahlen Wie Latein-Lehrer ihr Fach wieder begehrt machen wollen

Düsseldorf/Saarbrücken · Ablativus absolutus und schlechte Noten - das war früher der Lateinunterricht. In NRW lernen immer weniger Schüler Latein. Das liegt auch am schlechten Image des Fachs. Lateinlehrer überlegen nun, wie sie ihr Fach retten können.

 Immer weniger Schüler lernen Latein in der Schule - das liegt auch am Image des Fachs. (Symbolfoto)

Immer weniger Schüler lernen Latein in der Schule - das liegt auch am Image des Fachs. (Symbolfoto)

Foto: Oliver Berg/dpa

"Gallia est omnis divisa in partes tres..." - der Anfang von Caesars "De bello gallico" ("Über den gallischen Krieg") dürfte Generationen von Lateinschülern bis heute im Gedächtnis geblieben sein. (Hier geht es zu unserem Latein-Quiz.)

Lateinunterricht - das bedeutete eine Mischung aus permanenten Grammatiklektionen und Grundkurs in römischer Antike. Dennoch waren viele Gymnasiasten am Ende froh, dass sie das Latinum bereits in der Schule erwarben. Spätestens auf der Uni war es für viele Studiengänge Pflicht. Das sieht mittlerweile ganz anders aus. Und auch an den Schulen in NRW ist Latein auf dem Rückzug.

Das zeigen die aktuellen Zahlen für das laufende Schuljahr 2017/2018 des Schulministeriums NRW. Vergleicht man die Statistik für Gymnasien der vergangenen zehn Jahre, zeigt sich, dass zwischen 2007 und 2017 der Anteil der Latein-Schüler eines Jahrgangs von fast 40 Prozent auf knapp unter 30 Prozent gesunken ist. Auch in absoluten Zahlen bedeutet das einen deutlichen Rückgang: Im Schuljahr 2006/2007 nahmen 224.970 Schüler am Lateinunterricht teil. Im laufenden Schuljahr sind es noch 154.798. Dabei ist die Zahl der Gymnasien, die Latein als Fach im Curriculum haben, annähernd gleich geblieben.

Für Lateinlehrer ist das ein Grund, über die Attraktivität ihres Faches nachzudenken. Noch bis Samstag diskutieren Lateinlehrer aus ganz Deutschland auf einem Fachkongress des Altphilologen-Verbands in Saarbrücken, wie sie ihr Fach vor Schülerschwund schützen können. Schließlich konkurriert Latein an den meisten Schulen als Wahlpflichtfach mit Französisch, Spanisch und neueren technisch-naturwissenschaftlichen Fächern.

Hartmut Loos (60) ist Vorsitzender des Altphilologen-Verbands, Schulleiter des Gymnasiums am Kaiserdom in Speyer und selbst Lateinlehrer. Er betont, dass die Zahl der Latein-Schüler im Vergleich zu vor 50 Jahren auf einem hohen Niveau liegt. Immerhin lernten heutzutage ein Drittel eines Jahrgangs Latein - was damit zu erklären ist, dass es viel mehr Gymnasiasten gibt als noch vor 50 Jahren.

Das Entscheidende aber ist, dass sich laut Loos etwas Grundlegendes geändert hat: Der Lateinunterricht habe sich von einem Pauk- und Kriegs-Unterricht weg entwickelt hin zu einem Fach, dessen Inhalte sich an der Lebenswelt der Schüler orientieren. Das klingt schwierig in Anbetracht der Tatsache, dass die Sprache als "tot" bezeichnet wird. Was also hat Latein mit der Lebenswirklichkeit eines Teenagers zu tun?

Folgt man Loos, ist ein moderner Lateinunterricht interdisziplinär: "Lateinunterricht bedeutet nicht mehr, nur noch Grammatik zu pauken", sagt er. Im besten Falle lernt man etwas über Geschichte, über Politik, über die Struktur von Sprachen und auch über Naturwissenschaft. Denn viele naturwissenschaftlichen Begriffe sind lateinischen Ursprungs. "Ich weiß aber auch, dass nicht an allen Schulen schon der moderne Lateinunterricht Einzug gehalten hat."

Auch die Lateinbücher sind keine reinen Grammatik- und Vokabelsammlungen mehr. Sie bieten laut Loos Lektionen zur römischen Familie oder zur Mythologie. Themen, die Kinder noch interessant finden. Die älteren Schüler lesen anspruchsvolle Texte im Original: "Werke über Tod und Liebe, über Geschichte, über Gemeinschaft und Recht", sagt der Lateinlehrer.

Aber noch etwas Wesentliches hat sich verändert: die Benotung. Sie wurde laut Loos an die Vorgaben in anderen Fächern angepasst. "Inhalt kommt vor Grammatik", sagt Loos. Heute benote man nach einem Punktesystem und zähle nicht mehr nur die Grammatikfehler. Für Loos macht das sein Fach attraktiver. Denn die Schüler müssen nicht mehr befürchten, dass ihnen die Lateinnote im Wettbewerb um gute Noten den Schnitt versaut.

Die Zeiten, in denen man viel Grammatik und Vokabeln auswendig lernen musste, um eine gute Note zu bekommen, seien vorbei. Und dem Image der "toten Sprache" weiß Loos auch etwas entgegenzusetzen: "Latein ist mindestes schon sechsmal für tot erklärt worden." Aber die Totgesagten leben bekanntlich länger.

(heif)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort