Jedes dritte Ehepaar hat sich am Arbeitsplatz kennengelernt Liebe im Büro

Düsseldorf (RP). Jedes dritte deutsche Ehepaar hat sich am Arbeitsplatz kennen und lieben gelernt. "Solche Gefühle steigern die Motivation und sind gut für die Atmosphäre", sind sich Experten sogar sicher. Vier glückliche Paare, bei denen es im Job gefunkt hat.

Es war 1997, Tag der deutschen Einheit, als es zwischen Sandra und Andreas Zimmermann so richtig knisterte. Nach ihrem Dienst auf der Düsseldorfer Altstadtwache waren sie mit einigen Polizei-Kollegen noch etwas trinken gegangen. Und plötzlich waren da diese Schmetterlinge im Bauch. Zwei Jahre arbeiteten Sandra und Andreas zu diesem Zeitpunkt bereits zusammen. Er, das 1,86-Meter-Muskelpaket, und sie, die zierliche Blondine. Sympathisch waren sie sich sofort gewesen, aber mehr durfte nicht daraus werden, waren doch beide fest liiert. An jenem Abend konnten sie sich jedoch nicht mehr gegen die Gefühle wehren.

Die Kollegen merkten nichts von dem frisch verliebten Paar in ihren Reihen. "Wir haben es verheimlicht", sagt die 30-Jährige, "weil Andreas noch mitten in der Trennung von seiner Partnerin steckte.” Wenn niemand im Raum war, tauschten sie zärtliche Worte, genossen jede flüchtige Berührung. Über Codes wurde vereinbart, wo sie sich nach Dienstschluss treffen wollten. "Wie Teenies, die ihre Verliebtheit vor den Eltern verheimlichen”, so die Kommissarin. Schließlich ließ es sich nicht mehr verbergen. Drei Jahre arbeiteten sie noch gemeinsam auf der Altstadtwache. Inzwischen sind sie verheiratet und in verschiedenen Abteilungen. "Da hat man sich abends mehr zu erzählen”, sagt Sandra Zimmermann.

Sehr anregend

Verliebte Blicke zwischen Aktenordnern, heimliche Treffen in der Kaffeeküche, Händchen halten unter dem Schreibtisch - während es früher verpönt war, wenn die Liebe am Arbeitsplatz entbrannte, wird es heute von den Arbeitgebern toleriert. Viele Experten sind sogar der Ansicht, dass das Herzklopfen im Büro die Motivation fördert. "Dieser Gefühlszustand ist sehr anregend”, sagt Alexander Cisik (39), Arbeitspsychologe und Professor an der Hochschule Niederrhein. "Man geht lieber zur Arbeit, ist bereit, früher zu kommen und später zu gehen.” Zudem verstärke sich die Identifikation mit dem Arbeitgeber, weil er mit einem positiven Reiz besetzt werde. "Betriebe, in denen viele Paare zueinander finden, zeichnen sich meist durch eine sehr wertschätzende, offene Atmosphäre aus.”

Wie bei der Sparkasse Kleve, wo sich bereits etliche der 430 Mitarbeiter das Ja-Wort gegeben haben. "Man verbringt in der Arbeit eben viel Zeit miteinander”, erklärt Werbeleiter Markus Schmidt (36). Um atmosphärische Störungen bereits im Vorfeld zu vermeiden, achtet das Geldinstitut jedoch darauf, dass Paare nicht in derselben Abteilung arbeiten.

Für Silke Imig-Gerold (37) und Michael Gerold (40), eines der vielen Sparkassen-Paare, ist das kein Problem. Sie arbeitet im Firmenkreditbereich, er im Vertrieb. "Ich möchte gar nicht beruflich mit meiner Frau den ganzen Tag zusammen sein”, meint Gerold. "Dafür kennen wir unsere Schwächen einfach zu gut.” Verliebt haben sie sich vor 21 Jahren als Auszubildende. "Ich sah ein Foto von Silke und wusste sofort: Das ist sie”, sagt der 40-Jährige. Beim Tanz auf der Kirmes entflammte auch sie. Eine Liebe fürs Leben. 13 Jahre sind die Gerolds inzwischen verheiratet, haben einen zehnjährigen Sohn. "Die Sparkasse”, sagen sie, "ist unser Lebensmittelpunkt.”

Immer öfter bringt die Liebe zum Job auch die Liebe im Job mit sich. Woran liegt das? "Man verbringt viel mehr Zeit am Arbeitsplatz als früher”, sagt Psychologe Cisik. "Die Arbeit ist integraler Teil des Lebens geworden und auch eine starke Basis für eine Partnerschaft.” Außerdem lerne man im Job-Alltag Menschen besonders intensiv und unverfälscht kennen. Droht nicht Gefahr durch zu viel Nähe? "Dem muss man gezielt entgegenwirken”, sagt die Düsseldorfer Paartherapeutin Anne Diergarten (56), "zum Beispiel getrennt in Urlaub fahren oder sich mal ein Wochenende freigeben.”

Für Martina Bender (38) und Michael Wahn (45) ist es jedenfalls nicht zuviel des Guten, dass sie sich nicht nur in der Freizeit sehen. Beide sind bei den Stadtwerken Duisburg angestellt. Zwar in unterschiedlichen Bereichen, aber ihre Büros liegen genau gegenüber. Sie stehen zusammen auf, fahren in einem Auto zur Arbeit und in einem Aufzug hoch. "Von da an wird das Privatleben aber ausgeblendet”, betont die Industriekauffrau. "Dann sind wir normale Kollegen, bis wir wieder nach Hause fahren.”

Bitte keinen Rosenkrieg!

Die Liebe am Arbeitsplatz - wann wird sie zum Problem? "Besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, sollten sich beide ernsthaft überlegen, ob einer die Abteilung wechselt oder kündigt”, sagt Cisik. Wenn beispielsweise eine Führungskraft den Partner beurteilen müsse, werde das über kurz oder lang unter den Kollegen zu Missmut führen. "Das ist wie bei Lehrern, die ihr eigenes Kind unterrichten.” Richtig heikel werde es, wenn Konflikte ins Büro getragen würden.

Oder nach einer Trennung gar der Rosenkrieg ausbricht. "Bei uns hat man genügend Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen”, sagt Thorsten Rolfes, Sprecher von C&A und Kind eines C&A-Paares. Bei dem Konzern wird nämlich ebenfalls stets getrennt, was zwischen Kleiderständern zusammengefunden hat: Mindestens eine Rolltreppe soll zwischen den Verliebten sein. Und wenn Wolken am Beziehungshimmel aufziehen, muss man sich dank flexibler Arbeitszeiten nicht begegnen.

Von solchen atmosphärischen Störungen sind Kerstin (33) und Ralf Pontow (36) aus Moers zwar weit entfernt, zusammen arbeiten möchten sie dennoch nicht mehr: "Sonst hätte es sicherlich schon mal gekracht”, sagt Kerstin Pontow. 1998 sind sich der Chefkoch und die Hotelfachfrau in der Küche des Dorint-Hotels in Krefeld zum ersten Mal begegnet.

Es war Liebe auf den ersten Blick und der Anfang eines monatelangen Versteckspiels: In der Freizeit waren sie ein Liebespaar, im Hotel siezten sie sich. Als sie aus einem gemeinsamen Herbsturlaub beide sonnengebräunt zurückkehrten, ließ sich das süße Geheimnis nicht mehr verbergen. Inzwischen sind die beiden verheiratet, und Ralf kocht in einem Restaurant. Wie es sich anfühlte, mit dem geliebten Menschen zusammenzuarbeiten, wird Kerstin Pontow aber nie vergessen: "Es hat uns einfach nur beflügelt.”

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