Der moderne Mann Männer sind Gewinner

Düsseldorf · Wann ist der Mann ein Mann? Die Frage quälte nicht nur Grönemeyer. Das Männerbild ist im Wandel; alte Gewissheiten gelten nicht mehr. Ob das gut oder schlecht ist, daran scheiden sich die Geister. Auch bei uns.

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Foto: dpa, tba bsc

Früher war alles besser? Bewahre! Früher war für den Durchschnittsdeutschen alles einfacher. Berechenbarer, ja. Aber auch enger, festgelegter. Oder um es mit einer zeitgemäßen Metapher zu sagen: Erst in den letzten 15, 20 Jahren sind Deutschlands Männer von der Schmalspur- zur Breitbandexistenz geworden - ein grandioser Gewinn. Der deutsche Mann (und nicht nur der jüngeren Jahrgangs) macht sich neuerdings Gedanken über sich selbst; Überkommenes wirft er weg wie einen muffigen Mantel.

Was Männer an Männern sympathisch finden

Das ist nicht nur ein Gefühl. Das Heidelberger Sinus-Institut hat 2009 die gefragt, um die es geht: die Männer. In der Kategorie "Was Männer an Männern sympathisch finden" steht zwar die traditionelle Zuschreibung als Familienversorger an der Spitze; in den Top Ten finden sich auch Klassiker wie "Fachmann sein", Leistungsorientierung und technisches Geschick. Die Plätze zwei, acht und zehn aber belegen sexuelle Treue, Selbstbeherrschung und Konfliktschlichtung - nicht unbedingt Ideale der alten Machos. Immerhin fast jeder zweite Mann findet Männer sympathisch, die zärtlich sind und Gefühle zeigen. Wer hätte das gedacht?

Die Forscher schlussfolgern, dass "das vormals stabile Set klassisch-männlicher Eigenschaften bei einem Teil der Männer seinen Leitbildcharakter verloren hat und zum Teil diskreditiert ist". Männer können Elternzeit nehmen und Hausmann sein, können diese Rolle genießen, sie müssen nicht mehr allen Herausforderungen zugleich gerecht werden - und müssen sich dafür nicht rechtfertigen.

Die Kraft der Differenz

Wir dürfen heute anders sein. Wir entdecken endlich die Kraft der Differenz. Weniger hochtrabend gesagt: Uns wird bewusst, dass Vielfalt nicht nur anstrengend, sondern auch belebend ist. Wer sich etwa vor Augen führt, wie wir heute mit dem Thema Homosexualität umgehen, sieht eine andere Republik als vor 50, vor 40, auch vor 20 Jahren.

Das soll nicht heißen, dass schon alles gut wäre. Ausgrenzung von Schwulen, Beleidigung und Schlimmeres sind inzwischen eine Ausnahme, das ist wahr. Wahr ist aber auch der Satz des Historikers Alexander Demandt: "Toleranz ist eine Form der Herablassung, ist Duldung; und was ich ,ertragen' muss, das schmerzt mich." Was oft noch fehlt, ist der Schritt von der Toleranz zur Akzeptanz, die Normabweichungen nicht nur erträgt, sondern annimmt - und so erst wirklich sprechfähig gegenüber dem Anderen wird. Der schrille Streit um die Beschäftigung mit Homosexualität in baden-württembergischen Schulen hatte immerhin ein Gutes - er hat gezeigt, wie weit der Weg vielerorts noch ist. Und dass das Coming-out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger eine solche Welle verursachte, lag nicht an der Hysterie der Meinungsmacher. Sondern daran, dass Schwulsein noch lange nicht so egal ist wie Linkshändigkeit oder rote Haare.

"Du schwule Sau"

Solange das noch nicht so ist, muss über das Thema geredet werden. Wer meint, die Schwulen hätten doch alles erreicht, und alles Klagen sei nur das Geblöke wildgewordener Lobbyisten (meist sagen das übrigens Männer - warum eigentlich?), wer also meint, jetzt müsse mal Schluss sein mit dem ganzen Homo-Kram - der, mit Verlaub, weiß nicht, wovon er redet. Der möge sich Umfragen ansehen, in denen starke Minderheiten, bis zu 40 Prozent, sagen, Homosexualität sei widernatürlich. Der bedenke, dass allein in Berlin 2013 fast 300 Übergriffe auf Homosexuelle registriert wurden. Der möge auf einen x-beliebigen Schulhof oder in ein ganz normales Bundesliga-Stadion gehen und mitzählen, wie oft er an einem Vormittag, während eines Fußballspiels "Du schwule Sau" hört: öfter, als ihm lieb sein kann.

Trotzdem: Der Zug fährt in die richtige Richtung. Und mögen im Triumph des/der Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest auch 50 Prozent Provokation und 40 Prozent Blödelei stecken: Es bleibt ein Rest, der diesen Auftritt der Lächerlichkeit enthebt. Es gibt wahrlich genügend Gründe, sich über den bärtigen Mann in Frauenkleidern lustig zu machen - nicht zuletzt die heilige Inbrunst, mit der er zum Fackelträger einer neuen Aufklärung stilisiert wurde. Aber in der Wurst steckt eine Botschaft: Männlichkeit darf heute offener interpretiert werden als je zuvor.

Es geht voran für den Mann. Auch wenn das für alle Beteiligten kompliziert ist. Aber einfach wäre ja auch langweilig.

Einfach war früher.

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(RP)
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